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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Wenn er richtig vermutete, dann hätte sie vor seinen Augen umgebracht werden sollen, was bedeutete, daß man auch ihn nicht am Leben gelassen hätte.
    * * *
    Während man sie aus der Wohnung der Prostituierten an einen anderen Ort fuhr, begann Wlad, der sich nicht auf den Einfallsreichtum seiner Begleiterin verlassen wollte, sie zu instruieren.
    »Kein Wort über den Film. Verstanden? Du erzählst nur von der Annonce, von dem Vorstellungsgespräch, vom Schwimmbad, vom türkischen Sultan. Denk dir nichts aus, sag nur die Wahrheit. Aber vom Film kein Sterbenswort.«
    »Wieso nicht?« Swetlana verstand nicht.
    »Weil nicht klar ist, an wen wir geraten sind. Zeitungsannonce, Postfach – das sind Sachen, die kennt jeder. So was ist völlig legal, und daß wir davon wissen, stellt keinerlei Gefahr dar. Das mit dem Film ist was ganz anderes. Wenn wir anfangen darüber zu reden, dann kommen die auf wer weiß was für Ideen. Ich weiß ja selbst nicht genau, warum wir davon nichts erzählen sollten. Aber ich hab’s im Gefühl, daß es so besser ist.«
    »Na gut, ich werde nichts erzählen«, meinte Swetlana folgsam.
    Während der wenigen Stunden, die sie Wlad kannte, hatte sie sich schon daran gewöhnt, sich auf ihn zu verlassen. Dieser Winzling kümmerte sich um sie, er war klug, er hatte den Durchblick, er würde sie retten. Wenn er bloß keine Entzugserscheinungen bekam. Swetlana dachte, daß sie bereit wäre, ihr letztes Schmuckstück dranzugeben und mit jedem x-beliebigen ins Bett zu steigen, nur um Wlad seinen Stoff zu besorgen. Wenn er versuchte, sie zu retten, mußte auch sie sich um ihn kümmern. Und er war wirklich ein echter Schauspieler, dachte Swetlana begeistert. Als sie während des Feuers noch zwischen den Gaffern standen, und auch später, im Hotel, war er nicht eine Sekunde von ihr gewichen, hatte sich immer fest an ihre Schenkel geklammert und sein Gesicht in ihrem Kleid versteckt. Wie ein erschreckter kleiner Junge. Freilich, bei Tageslicht könnte Wlad sein Alter nicht mehr verheimlichen, aber immerhin, wenn man sie suchen würde, hätten sie schon einen Vorsprung. Frau mit Kind – das war was anderes als Prostituierte mit Liliputaner, soviel stand fest.
    * * *
    Nastja Kamenskaja hatte ihre Augen auf dem englischen Text und hämmerte eifrig in die Schreibmaschine. Sie hatte sich bereits hineingefunden in McBaines Stil, in seine charakteristische Art, Sätze zu bauen. Die Übersetzung ging flott voran, die Handlung war spannend, und Nastja gab sich alle Mühe, sich ganz auf die Arbeit zu konzentrieren. Doch irgend etwas verhinderte, daß ihr das Buch Spaß machte. Und Nastja wußte, was es war. Kränkung.
    Sie dachte sich alle möglichen Rechtfertigungen für den Kripobeamten Andrej Golowin aus, statt dessen aber kam ihr nur immer wieder in den Kopf, wie sie einsam im eiskalten Oktoberregen auf dem Bahnsteig der STADT gestanden hatte, wie sie gegen die Schmerzen ankämpfend ihr Gepäck geschleppt hatte, die Tasche mit den Wörterbüchern in der einen Hand und die Schreibmaschine in der anderen, wie sie der Frau an der Rezeption das Schmiergeld hingeschoben hatte, wie sie auf ihrem Zimmer geheult hatte vor Schmerz und Erniedrigung. Und dann erinnerte sie sich noch daran, wie Gordejews Gesicht rot angelaufen war, als er den Chef der hiesigen Kripo gebeten hatte, ihr, der jungen Frau, zu helfen. All dies türmte sich auf zu einer einzigen großen KRÄNKUNG, die so tief ging, daß Nastja überhaupt nicht mehr die Ruhige und Rationale, die Gleichgültige und Kaltblütige in sich spürte, für die sie sich sonst immer hielt. Na so was, dachte sie auf einmal, anscheinend kann ich doch ganz normale menschliche Gefühle entwickeln. Ich habe Mitleid mit Regina Arkadjewna, der einsamen Lehrerin, die von ihrem Lieblingsschüler so elend betrogen wird. Sogar dieser Kolja Alferow tut mir ein bißchen leid, dieser sympathische, gutherzige kleine Kerl, der so gar nichts Hinterlistiges hatte. Und vor allem bin ich gekränkt. Hätte wirklich nicht gedacht, daß ich zu so etwas noch fähig bin. Sieh an, diese Kamenskaja!
    Ein wenig verwundert war sie, daß Damir den ganzen Tag über noch kein einziges Mal vorbeigeschaut hatte. Natürlich, er war nicht verliebt, doch irgendwie hatte er sie gestern und vorgestern doch gebraucht. War es damit heute etwa vorbei? Es würde sie wirklich mal interessieren, warum. Im übrigen, fiel Nastja ein, wahrscheinlich ist Regina bei ihm. Vor dem Mittagessen hatte die Alte zu ihr

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