Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
enttäuscht. Schluß, Themawechsel. Morgen trifft Major Korotkow bei euch ein. Er braucht nicht abgeholt zu werden, er kommt schon selbst zurecht. Das wärs.«
Viktor Alexejewitsch knallte zornig den Hörer auf die Gabel. Jura Korotkow wartete schweigend den Sturm ab. Als Knüppelchen aufhörte, Rauten auf ein leeres Blatt Papier zu kritzeln, und nach seiner Brille griff, womit er Bereitschaft zur Arbeit signalisierte, wagte Jura, die Unterredung fortzusetzen.
»Was meinen Sie, Viktor Alexejewitsch, ob die im Sanatorium wissen, daß Nastja bei der Kripo arbeitet?«
Gordejew zuckte mit den Achseln.
»Wenn die von der dortigen Kripo wegen ihr angerufen haben, dann dürften sie es wohl wissen. Doch kann es sein, daß es nur die Verwaltung weiß, die Kurgäste aber nicht. Das müssen wir genau klären. Das müssen wir unbedingt ausnutzen, Nastja hat womöglich einiges gesehen und gehört. Wir müssen bloß entscheiden, ob wir sie als unsere offizielle Mitarbeiterin in die Arbeit einbeziehen, oder ob wir ihren inoffiziellen Status beibehalten. Davon wird auch deine Arbeit in der ›Doline‹ abhängen.«
»Ich schlage vor, wir machen es über Leonid Petrowitsch.«
»Gute Idee.« Knüppelchen nickte zustimmend. »Leonid ist ein alter Hase, der weiß, wie man so etwas macht. Wir müssen nur überlegen, wie wir Nastja die Nachricht, daß du fährst, zukommen lassen können, ohne dabei deinen Namen zu erwähnen. Wer weiß, von wessen Telefon aus sie spricht. Von einer Telefonzelle aus wäre es natürlich einfacher. Aber wir können kein Risiko eingehen. Überleg mal kurz, was sie über dich weiß? Irgend etwas Privates, wie Hobby oder Lieblingsspeise.«
Jura dachte nach. Was gab es da bloß? Wenn Name, Vorname, Aussehen, Beruf ausgeschlossen waren, was dann?
»Sie kennt den Namen einer engen Freundin von mir«, meinte er unsicher.
»Einer sehr engen?« fragte Knüppelchen feixend.
»Einer sehr engen.«
»Dann paßt es. Geh und laß dir eine Dienstreise bescheinigen, ich werde Leonid anrufen.«
Nastjas Stiefvater war ein guter Bekannter von Gordejew, er hatte lange Jahre bei der Kripo gearbeitet und die letzte Zeit an einer juristischen Fernuniversität unterrichtet. Auf ihn konnte sich Viktor Alexejewitsch voll und ganz verlassen.
* * *
Kotik, der Masseur, hatte wirklich eine gute Spürnase. Unter dem Vorwand einer Runde Preference versammelte er in einem unbelegten Zimmer Damir, Semjon und den Chemiker, um die Situation zu klären und herauszufinden, welche Gefahren ihnen drohten. Von dem Feuer sowie dem Verschwinden von Swetlana Kolomiez und dem Knirps wußten sie bereits. Es mußte entschieden werden, ob es sich lohnte nach ihnen zu suchen, oder ob man sie angesichts der Probleme ihrem Schicksal überließ. Während sie dies besprachen, beschlich Kotik das ungute Gefühl, daß Semjon irgend etwas verschwieg.
»Marzew ist ein vernünftiger Mensch, er wird nicht darauf bestehen, daß die Bestellung augenblicklich erledigt wird. Seinen Anfall hatte er vor einem Monat, und er hofft, daß er noch zwei, drei Monate aushält. Währenddessen könnten wir ihm die passenden Leute suchen und alles erledigen. Jetzt nehmen wir mal an, die Tusse und der Liliputaner haben sich vor dem Feuer gerettet, sind irgendwohin abgehauen und versuchen nun, uns von der Polizei ausfindig machen zu lassen. Könnten die das?«
»Sollten sie eigentlich nicht«, war Semjons entschiedene Reaktion. »Sie haben weder eine Adresse noch eine Telefonnummer. Nur die Nummer des Postfachs in einer anderen Stadt, doch da stehen so viele Strohmänner dahinter, daß sie auch in hundert Jahren noch nicht bei uns ankommen. Den Kleinen habe ich vom Flugplatz in meinem Wagen mit den falschen Nummernschildern abgeholt, keiner der angestellten Fahrer hat ihn gesehen. Die Tusse ist immer mit mir und Garik gefahren, aber immer abends, als es schon dämmrig war oder ganz dunkel. Sie dürfte sich kaum an etwas erinnern.«
»Außer diesen beiden, haben wir in der STADT sonst noch etwas laufen? Irgend etwas, auf das die Polizei stoßen könnte?«
Semjons Stimme schien noch genauso fest zu sein, aber doch nicht ganz. . . Kotik ging in Hab-Acht-Stellung. Irgendwo hier lauerte Gefahr. Er lenkte sein Augenmerk auf den Chemiker.
»Bist du dir bei deinem Mädchen sicher? Wird sie keine Zicken machen?«
»Wo denkst du hin, Kotik. Das geht doch nicht erst seit gestern. Wenn Vera schon so lange den Mund gehalten hat, wieso sollte sie dann ausgerechnet jetzt anfangen
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