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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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nebenbei darüber aus, daß, ungeachtet der Tatsache, daß Homosexualität seit kurzer Zeit keinen kriminellen Tatbestand mehr erfüllt, bis heute die Konsequenzen der unseligen Verfolgung der sexuellen Minderheiten zum Tragen kommen. Ein Mann, der von einer Frau verlassen wird, sucht sich eine andere. Vielleicht nicht sofort, aber er kann einen Ersatz finden. Für Homosexuelle, die ihr Privatleben in den ›Untergrund‹ tragen müssen, ist es wesentlich schwieriger, einen Partner zu finden, deshalb artet das Ende einer Beziehung oft in einer Tragödie aus und löst eine unüberwindliche Eifersucht aus, die dann häufig zum Mord führt. Zwischen heterosexuellen Partnern, berichtet der Autor, kommen Eifersuchtsmorde wesentlich seltener vor.
    »Was bedeutet das?« Damir gab Kotik die Zeitung zurück und begann, sich schnell anzuziehen.
    »Weiß ich selbst nicht. Vielleicht hatte Chanin tatsächlich einen Freund hier? Die Polizei hat davon erfahren, man hat ihn zum Verhör geladen und ihm den Tod des Geliebten mitgeteilt. Und ihm hat der Kummer den Kopf vernebelt, vor allem, wenn psychische Abnormitäten Vorgelegen haben. Vielleicht war er schon seit langer Zeit eifersüchtig, und durch den Schock stellte sich alles auf den Kopf: Er nahm den Wunsch für eine Tatsache, schrieb ein Geständnis und schied freiwillig aus dem Leben. Bei Hirnkranken kann das Vorkommen, wer könnte das besser wissen als wir beide. In jedem Fall hatten wir sagenhaftes Glück. So was gibt’s nur einmal im Leben. Bei unserem Semjon hat der Teufel die Wiege geschaukelt.«
    »Gott sei Dank sind die Ermittlungen abgeschlossen.« Ismailow seufzte erleichtert und nahm eine Tasche aus dem Schrank.
    »Wohin gehst du?«
    Kotik faßte Damir fordernd an der Schulter, schubste mit der anderen Hand die Tasche vom Tisch auf den Boden und stieß sie mit dem Fuß weg.
    »Was ist los, Kotik? Warum kann ich nicht wegfahren?«
    »Und Marzew? Hast du ihn vergessen? Der Auftrag, er muß ausgeführt werden. Ich lasse Semjon und den Chemiker sofort wissen, daß sie zurückkommen sollen. Man muß das Mädchen mit dem Liliputaner finden oder einen gleichwertigen Ersatz, und schnell handeln. Du bist ein schöpferischer Mensch, du wartest auf Eingebungen, wir dagegen produzieren nach Plan. Also sei nicht so sensibel. Es gibt überhaupt keine Gefahr. Der Mann von der Moskauer Kripo ist nach Hause gefahren, die Sache ist abgeschlossen, die Drehbücher und alles andere sind fertig. An die Arbeit, lieber Genosse!«
    Damir ließ sich entkräftet auf das Bett fallen.
    »Und was soll ich mit der Kamenskaja machen?« fragte er ratlos.
    »Gar nichts, außer was du selbst mit ihr vorhast«, sagte Kotik grinsend, nahm eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und öffnete sie lässig. »Mit Alferow sind wir fertig, Sarip werden sie niemals finden, ja nicht einmal suchen, so daß die Kamenskaja für uns jetzt nicht gefährlich ist. Du kannst ihr mit gutem Gewissen Eifersuchtsszenen Vorspielen und dabei diesen Polizisten einflechten, und dann schreibt ihr euch Abschiedsbriefe.«
    »Was hat das mit dem Polizisten zu tun? Er war hinter ihr her, aber er hat ihr doch nicht den Hof gemacht.«
    »Und? Eifersucht ist blind, lieber Freund, sie glaubt nicht das Offensichtliche und erfindet, was nicht existiert. Im übrigen dränge ich dich nicht. Du kannst weiter um die Kamenskaja herumturteln, wenn sie dir gefällt, gönn’ dir das Vergnügen. Obwohl ich persönlich«, Kotik zog skeptisch die Augenbrauen hoch, »freiwillig keine Minute für sie vergeuden würde. Und was hat Sarip an ihr gefunden?«
    »Das verstehst du nicht.« Damir fuhr langsam mit der Hand über sein Gesicht. »Sarip hat gesehen, was du nicht siehst. Und ich hab’ es auch gesehen.«
    »Und was ist das?« Kotik fuhr plötzlich hoch und ließ das Bier stehen.
    »Das kann man . . . nicht erklären. Aber ich kann Sarip verstehen.«
    »Ach, ich kann’s mir denken!« Kotik griff erleichtert nach der Bierdose. »Eine schöne Zeit, Verliebter. Sieh dich um, das Glück liegt dir zu Füßen. Sitz nicht herum wie ein Schlappschwanz, rasier dich, frühstücke und leb, als wär nichts geschehen. Semjon ist ein wendiger Bursche, in ein, zwei Tagen macht er alles fertig, wir erfüllen den Auftrag, und du kannst fahren. Komm um vier Uhr zu mir, ich bring’ dich in Stimmung, ich mach’ dir eine ordentliche Massage und ab in die Sauna. Du wirst dich fühlen wie neugeboren.«
    * * *
    Pünktlich um viertel vor elf klopfte es an Zimmer 513.

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