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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Wichtig war nur eins: Er mußte sie töten, um Jurotschka gütig zu stimmen, um ihn dazu zu bringen, sich wenigstens für ein paar Monate zu beruhigen, um selbst wieder der ehrenwerte Ehemann und Vater Jurij Fjodorowitsch Marzew zu werden.
    Da im Pavillon niemand war, beschloß er, im Schwimmbad suchen zu gehen.
    * * *
    Gegen acht Uhr abends ging Nastja zum Schwimmbad. Irgend etwas stimmte nicht. Es war schon längst dunkel, die Schatten der Bäume waren dicht, dunkel und drohend. Vor der Finsternis hatte Nastja keine Angst, aber irgend etwas stimmte nicht.
    Dann, als sie nicht durch die Tür konnte, die zum Schwimmbad führte, begriff sie, was los war. Eine kräftige Hand zog sie von der Tür weg und zwang sie, den Vorbau zu verlassen, und eine unbekannte Stimme flüsterte:
    »Verzeihen Sie, aber heute ist hier kein Zutritt. Die Anlage ist den ganzen Abend vermietet, Fremde werden heute nicht behandelt.«
    Im ersten Moment wollte Nastja erklären, daß sie keine Fremde sei und daß die Anlage auf ihre Bitte hin von Eduard Petrowitsch gemietet worden sei. . . Aber dann kam sie zu dem Schluß, daß es besser war zu schweigen. Erstens konnte sich herausstellen, daß der Mann, der sie nicht in das Schwimmbad lassen wollte, durchaus nicht einer von Eduard Petrowitschs Wache war, sondern ein Vertreter der Gegenseite, der auf diese einfache, aber erfolgversprechende Weise zu klären versuchte, was im Schwimmbad los war. Und zweitens, wenn der Bewacher wirklich ein Mann Denissows war, dann erfüllte er aufrichtig und vorschriftsmäßig seine Pflichten. Sie war selber schuld: Sie war fast zehn Minuten zu früh. Denissows Organisation hatte ihr schon mehrfach seinen Hang zur Genauigkeit und Pünktlichkeit demonstriert. Macht nichts, dann warte ich eben, dachte sie. Spazierengehen ist gesund.
    Sie ging die Allee entlang und blickte aufmerksam in die Dunkelheit, bis sie begriff, daß ihr erster Eindruck, daß etwas nicht stimmte, von Menschen hervorgerufen worden war, die sich lautlos in der Dunkelheit bewegten. Sie achteten darauf, nicht gesehen und nicht gehört zu werden, aber Nastja entdeckte sie, weil sie nach ihnen suchte. Ed von Burgund (sie lachte innerlich über den treffenden Beinamen – seine Wache und seine Sicherheitsmaßnahmen waren wirklich königlich) nahm seine Angelegenheiten ernst. In diesem Moment beunruhigte sie eine Erinnerung, ungreifbar wie die Erinnerung an einen nächtlichen Traum. Und verschwand im selben Augenblick. Aber diesmal paßte Nastja auf und wollte das Signal nicht ignorieren. Sie behauptete immer, daß die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen um ein Vielfaches größer ist als seine Möglichkeit, die erhaltene Information zu verarbeiten. Am Bewußtsein geht nichts vorbei: weder ein zufällig erblicktes Gesicht, noch ein vor langer Zeit aufgeschnapptes Wort, noch das Gefühl von Angst, das in einem unpassenden Augenblick und aus unbekannter Ursache entsteht. Alles wird im Gehirn festgehalten und schlägt sich nieder, man muß nur fest daran glauben, und was die Hauptsache ist – man muß sich im entscheidenden Moment daran erinnern. Und niemals sendet das Gehirn eines gesunden Menschen zufällige Signale aus, immer steht hinter diesen Signalen etwas ganz Konkretes. Man muß nur verstehen, was.
    Während sie langsam die Allee entlangging, entdeckte Nastja die Bank, auf der sie mit Alferow vor seinem Tod gesessen und mit ihm geplaudert hatte. Sie drehte ihren Gedächtnisfilm noch ein Stück zurück, und ihr wurde klar, wie sie das Signal einordnen mußte. Damals, auf ihrem Spaziergang durch die Allee, hatte sie plötzlich das unangenehme Gefühl gehabt, als würde ihr jemand auf den Rücken starren und ihr folgen. Sie erinnerte sich, daß sie sich damals umdrehte, niemanden sah und ruhig weiterging. An Sensitivität und biologische Kraftfelder glaubte Nastja rein theoretisch: Für bestimmte Leute ist das Lebensrealität, weil es ihnen von Natur aus gegeben ist, für mich aber nicht, mir ist es nicht gegeben. Deshalb wußte sie: Wenn sie das Gefühl hatte, daß ihr jemand folgte, so hieß das, daß ihr sensibles Ohr tatsächlich Schritte gehört hatte, daß ihr unaufmerksames Auge, das in die Betrachtung der Innenwelt versunken war, trotzdem seine Aufgabe erfüllt und eine Gestalt gesehen hatte, und zusammengenommen hatten Laut- und Sichtsignal versucht, Nastja zu warnen. Sie aber hatte nicht gehorcht, sie war in Gedanken versunken und überheblich gewesen. Jetzt war beinahe dasselbe

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