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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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fachmännisch. »Der zweite ist Igor Jerochin. Keine Haftstrafen, ledig, allein lebend. Durchschnittliche Intelligenz, aber von guter körperlicher Verfassung. Er fährt einen grellroten Audi. Der dritte ist der Witzigste von allen. Viktor Kostyrja.«
    »Womit hat er Sie denn so erheitert?« wollte Nastja wissen. Der junge, etwa siebenundzwanzigjährige Mann auf dem Foto sah unscheinbar aus. Er hatte tiefe Geheimratsecken und einen langen, herabhängenden Schnurrbart.
    »Er hat eine interessante Ausdrucksweise. Ich habe eine Menge origineller Ausdrücke von ihm gelernt. Einmal, als Jerochin ihn anfuhr, sagte er zum Beispiel ganz ruhig: ›Schrei nicht so, sonst fallen dir die Plomben raus.‹ Wie finden Sie das?«
    Bokr brach in sein markerschütterndes, papageienhaftes Gelächter aus.
    »Um es kurz zu machen, wir haben folgendes herausgefunden: Alle drei arbeiten als Weberschiffchen. Sie fahren ständig in die Türkei und nach Griechenland und kommen mit Klamotten zurück. Sie haben ihre festen Großabnehmer, Händler, die die Ware auf den Märkten verkaufen. Und sie kontrollieren die Händler natürlich, damit die sie nicht bescheißen. Zum Beispiel bekommen sie siebenhundert Dollar für einen Biberpelzmantel, weil die Händler behaupten, daß Biberpelz gerade sehr schlecht geht und sie nicht mehr als tausend Dollar dafür verlangen können. Dann aber stellt sich heraus, daß der Mantel auf dem Markt für eintausendfünfhundert Dollar verkauft wird. Also hat man die Weberschiffchen betrogen.«
    »Und was machen sie sonst noch?«
    »Sie betreiben Marktforschung. Was ist im Trend, Farben, Größen, Modelle, Preise, denn die Händler können ihnen ja viel erzählen. Kurz, bei ihnen dreht sich alles um den Handel.«
    »Sind es nur diese drei, von denen Dascha beschattet wird?«
    »In drei Tagen haben wir nur diese drei gesehen.«
    »Und ihr Verehrer, wird der auch beschattet?«
    »Nein, der Verehrer ist sauber wie die Seele eines Neugeborenen. Im übrigen wird das Mädchen nicht ständig beschattet. Sie folgen ihr morgens bis zum ›Orion‹ und verduften, dann, nach zwei, drei Stunden tauchen sie wieder auf, drücken sich eine Weile vor dem Geschäft herum und verduften wieder. Aber abends, nach Geschäftsschluß, steht immer einer von ihnen da, darauf kann man Gift nehmen. Und der bleibt ihr dann auf den Fersen bis zur Haustür. So eine Epidersion ist das, Anastasija Pawlowna.«
    »Epidersion« – das muß so etwas wie eine undurchschaubare Geschichte sein, übersetzte Nastja im stillen.
    »Beschreiben Sie mir das Umfeld der Männer.«
    »Sie kommen mit vielen Leuten zusammen, mit sehr vielen.« Bokr fuhr fort, gemessenen Schrittes im Zimmer auf und ab zu gehen, vom Fenster zur Tür, von der Tür zum Fenster. »Aber sie scheinen sich immer im selben Milieu zu bewegen. Händler, Reisebüros, wo sie ihre Flugtickets kaufen, der Flughafen Scheremetjewo, die Märkte von Konkowo, Pe-trowskij-Rasumowskij, Lushniki, der Sportclub der Armee, Restaurants. Jeder von ihnen hatte in diesen drei Tagen mit mindestens hundert Personen Kontakt. Doch keine von diesen Personen fiel uns besonders auf, sie scheinen alle zu ein und demselben Kreis zu gehören.«
    »Das ist schlecht«, sagte Nastja unzufrieden, »das gibt uns keinerlei Anhaltspunkte. Lassen Sie mir die Fotos da?«
    »Versteht sich. Ich habe Ihnen außerdem Videoaufnahmen mitgebracht. Wir können schließlich etwas übersehen haben.«
    »Ich habe keinen Videorecorder«, seufzte Nastja.
    »Sie haben keinen Videorecorder?!« Bokr sah sie verblüfft an. »Das ist ja ein völliges Perdimonokel! Wie leben Sie denn?«
    »Perdimonokel« ist offenbar so etwas wie ein Fiasko, erklärte sich Nastja im stillen. Das muß ich mir merken. In der Tat, wie lebe ich? Wie man eben lebt mit einem Milizionärsgehalt. Sogar den Computer muß ich mir von Ljoscha ausleihen.
    »Ich bringe Ihnen einen Recorder, das ist kein Problem. Was sind Ihre neuen Anweisungen für uns?«
    »Ich muß soviel wie möglich über diese drei Männer wissen. Ich erwarte von nun an Ihren täglichen Bericht. Wie sieht es aus mit der technischen Ausrüstung?«
    Bokr lächelte hintersinnig. »Alles vorhanden.«
    »Was ist vorhanden?«
    »Alles«, antwortete Bokr ungerührt. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir haben alles, was nötig ist, um Ihnen die Informationen zu liefern, die Sie erwarten. Aber es gibt da eine Kleinigkeit.«
    »Was für eine?« fragte Nastja stirnrunzelnd.
    »Onkel Tolja hat uns gewarnt. Sie sollen

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