Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen
sehr penibel sein, was die Einhaltung von Gesetzen betrifft.«
»Onkel Tolja? Wer ist das?«
»Anatolij Wladimirowitsch Starkow. Erinnern Sie sich?«
Starkow war der Chef von Denissows Aufklärungsdienst. Vor einem Jahr, als Nastja in der STADT war, hatte sie ihn kennengelernt. Starkow war ihr sympathisch. Sie wußte, daß Eduard Petrowitsch Denissow von seinen Mitarbeitern Ed von Burgund genannt wurde, nach einem Nachkommen von Ludwig dem Heiligen. Aber daß Starkow Onkel Tolja hieß, hörte sie zum ersten Mal.
»Und was hat Starkow Ihnen gesagt?«
»Er hat gesagt, daß wir für die eine oder andere Operation unbedingt Ihre Erlaubnis einholen müssen, denn wenn wir etwas tun, das Ihnen nicht gefällt, können Sie sehr wütend werden. Und in der Wut, hat Onkel Tolja gesagt, sind Sie zum Fürchten.«
Bokr warf den Kopf zurück und ließ wieder sein durchdringendes, von Augenrollen und Schluchzern begleitetes Gelächter hören. Nastja stimmte in sein Gelächter ein.
»Anatolij Wladimirowitsch ist ein Spaßvogel«, bemerkte sie und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Aber im Prinzip hat er recht. Ich möchte, daß Sie verstehen, worum es hier geht. Ich führe private Ermittlungen durch und weiß selbst noch nicht genau, worauf sie hinauslaufen. Mein Halbbruder Alexander hat sich an mich gewandt und mich gebeten, seine Freundin zu überprüfen, weil ihm ihr Verhalten verdächtig erscheint. Das Mädchen selbst behauptet, daß es beschattet wird. Ich möchte herausfinden, was sich hier abspielt. Die offiziellen Organe haben mit meiner Ermittlungsarbeit nichts zu tun, da bis jetzt kein krimineller Tatbestand vorliegt. Mein Chef weiß aber, daß ich Ihre Dienste in Anspruch nehme, insofern geschieht nichts Ungesetzliches. Das ist das eine. Bei Ihrer Arbeit dürfen Sie alle Methoden anwenden, die Ihnen zur Erfüllung der Aufgabe notwendig erscheinen, ausgenommen solche, die die Gesundheit oder gar das Leben eines anderen gefährden. Kurz, jede Art von Gewaltanwendung ist verboten, keine Waffen, keine chemischen Präparate. Das ist die Antwort auf Ihre Frage.«
»Und wie ist es mit Lügen? Ist das erlaubt?« fragte Bokr mit ernster Miene.
»Lügen ist erlaubt, ohne jede Einschränkung. Tauchen Sie in das Milieu ein, benutzen Sie alle Tricks, alle technischen Hilfsmittel. Ich möchte mir ein genaues und vollständiges Bild von diesem Dreiergespann machen.«
Bokrs Nasenspitze begann plötzlich seltsam zu zucken.
»Ich glaube, Ihr Koch hat die Sauce anbrennen lassen. Riechen Sie es nicht?«
»Nein«, gestand Nastja, die während ihres Gesprächs mit Bokr sowohl Ljoscha als auch das Abendessen völlig vergessen hatte.
»Am Anfang hat es gut gerochen, ich wollte den Koch bereits loben, denn heutzutage macht sich ja kaum noch jemand die Mühe, Fleisch oder Fisch mit einer richtigen Sauce zuzubereiten. Aber jetzt hat sich der Geruch etwas verändert. Es riecht angebrannt. Ich gehe jetzt, Anastasija Pawlowna, und hole den Videorecorder für Sie.«
Nachdem Nastja Bokr hinausbegleitet hatte, steckte sie ihren Kopf durch die Küchentür.
»Was machst du denn da, Ljoschenka?« fragte sie mit einem schuldbewußten Blick in seine Augen. Das ging in der Tat zu weit. Ein hungriger Mann am Küchenherd, und sie saß da und schwatzte mit einem Knast-Morphologen dem Teufel ein Ohr ab.
»Ich mache Fleisch mit gedörrten Aprikosen«, antwortete Tschistjakow geschäftig, während er etwas sehr Wohlriechendes aus der Pfanne in eine feuerfeste Form goß. »Bist du fertig?«
»Ja, laß uns bald essen. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.«
»Wo ist dein Gast?«
»Der ist einen Videorecorder holen gefahren«, erklärte Nastja und holte Teller aus dem Schrank.
»Einen was?«
»Einen Videorecorder. Man hat Leute gefilmt, die mich interessieren. Ich muß mir die Videos anschauen.«
»Ein seltsamer Typ«, bemerkte Ljoscha, während er dampfende Kartoffeln und atemberaubend duftendes Fleisch auf die Teller lud.
»Warum seltsam?«
»Nun ja«, druckste Ljoscha herum, »wie ein Mitarbeiter der Miliz sieht er nicht gerade aus. Und sein Lachen klingt irgendwie schwachsinnig.«
»Er ist ja auch kein Mitarbeiter der Miliz.«
Nastja nahm die Gabel und begann seelenruhig zu essen.
»Und wer ist er dann?« erkundigte sich Tschistjakow mit der Gründlichkeit des Professors.
»Ein ehemaliger Lagerhäftling«, antwortete Nastja kurz, spießte ein Stück Essiggurke auf die Gabel und schob sie sich in den Mund.
»Wie bitte?«
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