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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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eine Möglichkeit, das Prüfungsergebnis anzufechten und den Schlaumeier so lange durch das unwegsame Gelände des Spezialfaches Taktik zu hetzen, bis er halbwegs sicher war, daß er seinen Fehler nicht wiederholen würde.
    Heute war er erstaunlich nachsichtig gewesen, und obwohl er kaum ein »Ausgezeichnet« vergeben hatte, wie immer, war heute tatsächlich nur eine Fünf unter seinen Noten gewesen. Heute hatte er bemerkt, daß sein zukünftiges Opfer ihn verfolgte. Heute war tatsächlich ein ungewöhnlicher Tag.
    »Heute bin ich milde gestimmt.« Vakar lächelte Veronika zu. »Wahrscheinlich haben wir heute eine günstige Planetenkonstellation, die Leistungen der Studenten waren ungewöhnlich gut.«
    Zurückgekehrt in sein Büro, legte er seine Generalsuniform ab und zog seine Zivilkleidung an. Er überlegte einen Moment, zog sich erneut aus, hängte den Anzug in den Schrank, schlüpfte in seinen Sportdreß und ging hinunter in die Trainingshalle.
    »Genosse General!« Der Ausbilder spannte sich vor ihm wie eine Saite.
    »Guten Abend, Hauptmann.« Vakar nickte und ging eilig zum anderen Ende der Halle, wo die Kampfroboter standen.
    Er schlug auf seinen künstlichen Gegner ein und wich seinen zahlreichen Armen und Beinen aus, die danach trachteten, ihm Schlage auf den Kopf zu versetzen, ihn an Schultern und Schenkeln zu treffen. Seine durchtrainierten Hände spürten keinen Schmerz beim Zusammenstoß mit der harten Holzoberfläche des Roboters, mit weichen, federnden Bewegungen schützte er seinen hageren Körper vor den Schlägen der heimtückischen Holzteile, während seine Augen jede Gefahrenquelle fest im Blick behielten.
    Am heutigen Tag hatte sich alles verändert. Wladimir Vakar hatte jetzt einen Gegner. Diesmal handelte es sich nicht um ein willenloses Opfer, nicht um einen heruntergekommenen Alkoholiker, nicht um einen kleinen, gutgläubigen Schurken und Erpresser, nicht um einen stillen, nichtsahnenden Bankangestellten, diesmal handelte es sich um einen wirklichen Gegner. Um einen brutalen Mörder, der wußte, daß er gejagt wurde, und die Absicht hatte, als erster zuzuschlagen, dem Jäger zuvorzukommen. Vakar hatte gesehen, wie Jerochin den jungen Milizionär auf die Baustelle gelockt hatte und ohne ihn zurückgekehrt war. Der General brach damals Igors Beschattung ab, er wartete eine Weile an der Metro, dann ging er zur Baustelle und warf einen Blick hinter den Zaun. Das, was er dort sah, bestätigte seinen Verdacht. Er sagte niemandem etwas von seiner Entdeckung, denn hätte man seinen Namen in Verbindung mit dem von Jerochin gebracht, wäre man womöglich dem Geheimnis der drei vorangegangenen Morde auf die Spur gekommen. Außerdem hätte ihn Igors Verhaftung um die Möglichkeit gebracht, seine Pflicht vor Jelena und Lisa zu erfüllen, und dann hätte der bedrückende, ihm so widerwärtig gewordene Zustand der Trauer in seinem Haus nie ein Ende genommen.
    Vakar sah Jerochins verhaßtes Gesicht vor sich, während er mit dem Roboter kämpfte, dessen Angriffe mit geschickten Schlagkombinationen konternd. Jelena hatte ihm noch vierzehn Tage Zeit gegeben, und von diesen Tagen waren bereits zwei verstrichen. Wenn er es nicht rechtzeitig schaffte, konnte er seine Frau verlieren, denn in ihrer manischen Beharrlichkeit würde sie zweifellos ausführen, was sie sich vorgenommen hatte. Sie würde für den Mord an Jerochin irgendeinen Nächstbesten anheuern, und der würde sie mit sich auf die Anklagebank ziehen. Ich muß es schaffen, sagte Vakar sich im Takt zu seinen Hieben und Sprüngen, mit denen er angriff und auswich, ich muß es schaffen. Und von jetzt an war er der Situation Herr. Er würde nicht länger tatenlos und ergeben darauf warten, daß Igor zum Übernachten zu seiner Auserwählten fuhr, um dann, am nächsten Morgen, das abgelegene, leere Gelände zu überqueren. Nein, von jetzt an konnte er die Sache selbst in die Hand nehmen. Da Jerochin ihn verfolgte, konnte er ihn genau dahin locken, wo er ihn haben wollte. Jerochin würde ihm folgen wie ein Esel der Mohrrübe. Und dann konnte er endlich einen Schlußstrich unter diese ganze Geschichte ziehen.
    Nach dem ausgiebigen Training ging Vakar unter die Dusche. Während er unter dem kühlen Wasserstrahl stand, fühlte er eine angenehme Müdigkeit in seinen Muskeln und stellte befriedigt fest, daß er durch das Training nicht im geringsten außer Atem geraten war. General Vakar war bestens in Form.
    6
    Viktor Kostyrja begriff im ersten Moment gar nicht,

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