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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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glaubte, daß ihr dann wenigstens ein bißchen leichter würde. Und endlich gelang es ihr. Sie schrie auf und erwachte.
    Das Kopfkissen war naß von Tränen. Ljoschas Arm umfaßte sie.
    »Was ist mit dir, mein Herz?« fragte er leise. »Hast du geträumt?«
    Sie antwortete nicht, drängte sich enger an ihn und versteckte ihr Gesicht an seiner Schulter.
    Mit dem Schlafen war es vorbei. Während sie sich bemühte, gleichmäßig zu atmen und sich nicht im Bett umherzuwälzen, um Ljoscha nicht zu stören, ging sie in Gedanken immer wieder alle Daten und Fakten durch und spielte das ihr am nächsten Tag bevorstehende Gespräch mit Gordejew durch. Dieses Gespräch verhieß nichts Gutes.
    Sie hatte viel Zeit vertan, um herauszufinden, wer die entscheidende Kontaktperson der Weberschiffchen war. Aus irgendeinem Grund war sie davon überzeugt gewesen, daß diese Kontaktperson nicht zum inneren Kreis der Weberschiffchen gehörte und daß letztere diese Person aus ihr unbekannten Gründen vorübergehend mieden. Sie hatte geglaubt, daß die Männer irgendeine Gefahr witterten und deshalb alles taten, um denjenigen, der den Schlüssel zur Lösung des Rätsels in der Hand hielt, vor den Blicken Fremder zu schützen. Aber sie hatte sich geirrt. Denn als Boß hatte sich Resnikow erwiesen, derselbe Resnikow, der von Anfang an offen im Blickfeld stand und sich vor niemandem versteckte. Kein anderer als er war es, den die drei sofort aufsuchten, als ihnen das begegnete, was sie nicht verstehen und erklären konnten. Sie hatte alles falsch gemacht. Alles von Anfang an. Um ihr Interesse an der Weberschiffchen-Clique nicht preiszugeben, hatte sie darauf verzichtet, ihre dienstlichen Vollmachten wahrzunehmen und ihre Kollegen um Hilfe zu bitten. Vielleicht hätte sie auf offiziellem Weg sehr viel schneller und einfacher herausgefunden, wer und was Artjom Resnikow wirklich war. Bokr und seiner Truppe konnte das nicht gelingen, weil es unmöglich war, allen zwanzig, dreißig Leuten, mit denen Daschas Beschatter täglich verkehrten, wirklich gründlich auf den Zahn zu fühlen. Sicher, von diesen zwanzig, dreißig Leuten wäre Resnikow als einer der ersten ins Visier geraten, weil Dascha ihn an genau dem Tag in der Metro gesehen hatte, an dem alles begann. Aber was folgte daraus? Was war kriminell daran, wenn jemand in der Metro fuhr?
    Vorsichtig, bemüht, Ljoscha nicht zu wecken, schlüpfte sie aus dem Bett, warf sich einen warmen Frotteemantel über die Schultern, schlich auf Zehenspitzen in die Küche und schloß die Tür hinter sich. Sie zündete das Gas an und stellte den Wasserkessel auf die Flamme. Es war kurz nach drei, aber sie wußte, daß es mit dem Schlafen sowieso vorbei war. Sie stand vor dem Fenster und betrachtete stumpfsinnig ihr Spiegelbild in der dunklen Scheibe, für eine Weile hatte sie sogar vergessen, worüber sie eigentlich nachdenken wollte.
    Das Wasser kochte, Nastja brühte sich eine Tasse Pulverkaffee auf, warf ein paar Zuckerstücke und eine dicke Zitronenscheibe hinein und zündete sich eine Zigarette an. Es vergingen weitere zwanzig Minuten, bis es ihr gelang, sich zusammenzureißen und jene schwarze Schwermut zu überwinden, mit der sie aufgewacht war und die sie buchstäblich lähmte, die mit Zentnergewichten an ihr hing.
    Sie räumte den Tisch ab, breitete weiße Blätter auf der Tischplatte aus und begann zu arbeiten. Allmählich füllten sich die Blätter mit Häkchen, Kringeln, Pfeilen, kurzen Anmerkungen, Frage- und Ausrufungszeichen.
    Vakar war ihre letzte Hoffnung. Wenn er Jerochin seit langem beschattete, wußte er vielleicht Dinge, die Bokr und seine Truppe nicht wußten. Und wenn Jerochin in den Mord an dem Milizionär Kostja Maluschkin verwickelt war, dann konnte Vakar auch das wissen. Doch wenn ihr zweiter Verdacht zutraf und Vakar etwas mit dem Tod der drei Kindheitsfreunde von Igor Jerochin zu tun hatte, würde er niemals eine Aussage gegen Jerochin machen, denn damit würde er zugeben, daß er die Absicht hatte, Jerochin zu ermorden. Und dies wiederum wäre gleichbedeutend mit dem Geständnis, daß er auch die anderen drei umgebracht hatte. Was immer Vakar wissen mochte, er würde schweigen. Und der Mord an Maluschkin würde niemals aufgeklärt werden, sofern Jerochin kein Schuldgeständnis ablegen würde. Und das würde er zweifellos niemals tun.
    Nein, es hatte wohl keinen Sinn, auf Vakar zu hoffen. Wenn er drei Morde begangen hatte und nicht ins Netz gegangen war, hatte Nastja keine Chance,

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