Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen
wissenschaftliche Belange hinausging, und überhaupt war jegliche Kommunikation äußerst begrenzt: Er hatte ein separates Büro, und alle Gespräche wurden entweder per Telefon geführt, über eine interne Leitung, die abgehört wurde, oder aber in Anwesenheit von einem der beiden Amerikaner, die, wie Mischa begriff, Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes waren. Das verführte nicht gerade dazu, der Zunge freien Lauf zu lassen.
Steinberg drückte den blauen Knopf der internen Gesprächsanlage. Sofort öffnete sich die Tür, und das Büro betrat einer der Amerikaner, die Mischa für sich die Zerberusse nannte.
»Sie wünschen, Doktor?«
»Wie sieht es aus mit der Rohstofflieferung?« fragte Mike unzufrieden. »Die Zeit läuft, wir haben kaum noch Reserven.«
»Wie lange können wir die Frist noch hinauszögern?«
»Drei Tage, allerhöchstens vier«, sagte der Versuchsleiter schroff. Er hatte schnell gelernt, in solchen Fragen hart und unnachgiebig zu sein.
Der Amerikaner sprach in ruhigem Tonfall mit ihm, er blieb immer distanziert, so als wolle er im Grunde nichts zu tun haben mit den Problemen dieses dicken, schwitzenden Mannes.
»Ich werde Bescheid sagen, daß Sie den Rohstoff in spätestens vier Tagen brauchen«, sagte er gleichmütig.
»Ich bitte darum«, parierte Steinberg, der nicht versuchte, seinen Ärger und seine Besorgnis zu verbergen. »Danke, ich will Sie nicht länger aufhalten.«
Der Zerberus drehte sich schweigend um und verließ den Raum.
Mike versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, daß die Verzögerung der Rohstofflieferung nicht seine Schuld war und daß man ihn deshalb nicht bestrafen würde, falls das Projekt nicht rechtzeitig zum Abschluß kommen sollte. Doch war dies nur ein schwacher Trost, denn er erinnerte sich sehr gut daran, daß er am Anfang nach eingefleischter sowjetischer Gewohnheit die Arbeit nicht allzu ernst genommen hatte, er hatte geschludert und gestümpert, lange Anlauf genommen und den großen Denker gespielt. Das war seinen Auftraggebern nicht verborgen geblieben. Zuerst hatte man ihn sanft gerügt, dann folgten unverblümte Drohungen, nachdem man ihn darüber aufgeklärt hatte, daß im Februar die Wahlkampagne im Land startete und das Projekt, in das man riesige Summen investiert hatte, bis dahin abgeschlossen sein mußte, weil es sonst seinen Sinn verlor. Schließlich hatte man die Sprache auf die geheimnisvolle Psychodroge gebracht und auf die geschlossene psychiatrische Klinik. Mike glaubte ihnen aufs Wort, denn solche Vorgehensweisen waren ihm aus Rußland bestens bekannt. In letzter Zeit wuchs in ihm sogar die Befürchtung, daß ihm das angedrohte Schicksal ganz unabhängig vom Ausgang des Projektes bevorstand. Er war nur so lange ungefährlich für seine Auftraggeber, solange er in diesem stinkenden, hermetisch von der Außenwelt abgeschlossenen Bunker saß. Nach Abschluß der Arbeit würde man ihn freilassen müssen. Und es erschien sehr fraglich, ob das für seine Auftraggeber nicht zu riskant war . . . Deshalb tat Mike alles, um sich von seiner besten Seite zu zeigen, in der Hoffnung, daß sie ihn auch weiterhin für ihre Zwecke einsetzen würden. Mit traurigem Sarkasmus erinnerte er sich an den Anfang, an seine Träume vom großen Geld, während er jetzt nur noch darauf hoffte, am Leben zu bleiben.
Zwei Etagen höher, in einem Büroraum genau derselben Art, berichtete der amerikanische Zerberus seinem Landsmann von den Forderungen des wissenschaftlichen Projektleiters.
»Da kommt mir ein reizvoller Gedanke«, lachte Carl erheitert auf. Nach mehreren Stunden sitzender Tätigkeit entspannte er seine athletischen Schultern und dehnte sich wohlig. »Gehen Sie zu ihm und bieten Sie ihm zusätzliches Honorar an, wenn er den Rohstoff auf eigene Kosten beschafft. Ich bin sicher, daß er sich darauf einläßt. Er möchte nur allzugern am Leben bleiben und hat inzwischen begriffen, daß das Leben kostbarer ist als Geld. Akira-San hat wenig Lust, unserem russischen Lieferanten zusätzliche Summen für die Beschleunigung seiner Aktivitäten zu bezahlen, im Gegenteil, er hat versprochen, unser Honorar zu erhöhen, wenn wir ihm zusätzliche Kosten ersparen. Und diese zusätzlichen Kosten sind nicht zu vermeiden. Denn diese Asiaten sind nicht in der Lage, selbst etwas zu erfinden, ihr ganzer technischer Fortschritt basiert auf geklauten Technologien und Ideen. Sie kaufen europäische und amerikanische Gehirne und beuten sie für ihre Zwecke aus, für das Management
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