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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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ermorden. »Ist etwas passiert?«
    »Nichts ist passiert. Ich bin nur nach Hause gekommen, um mich umzuziehen. Ich wollte gerade gehen«, erwiderte der General, kurz und trocken wie immer.
    Er wechselte den Trainingsanzug gegen Jeans, ein Wollhemd und eine leichte Lederjacke aus, steckte seine Zigaretten und die Brieftasche ein, nahm den Autoschlüssel und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung. Jelena fragte nicht, wohin er ging und wann er zurückkommen würde, das interessierte sie nicht, deshalb hatte er längst aufgehört, ihr etwas darüber zu sagen.
    Vakar trat hinaus auf die Straße und schlug im Schlenderschritt die Richtung zum Sustschewskij-Bahnhof ein. Er hatte keinerlei Ziel, er nahm sich vor, über den Rigaer Bahnhof und den Mir-Prospekt bis zur Sucharewka zu gehen, dort konnte er in die Metro steigen und zurückfahren. Er rechnete sich aus, daß er auf diese Weise erst gegen Mitternacht zu Hause sein würde, Jelena und Lisa würden bereits schlafen, und niemand würde ihn mit Fragen und Vorwürfen quälen.
    Am Rigaer Bahnhof blieb er an der Kreuzung stehen und wartete auf das Umschalten der Fußgängerampel, als ihn plötzlich jemand vorsichtig an der Schulter berührte. Er vernahm eine leise Stimme neben sich.
    »Wladimir Sergejewitsch?«
    Er drehte sich abrupt mit dem ganzen Körper um, wie auf das Kommando »Kehrt um«, und erblickte eine Frau. In der Dunkelheit konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, er sah nur, daß sie groß, hager und jung war.
    »Meinen Sie mich?« fragte er verwundert.
    »Wenn Sie Wladimir Sergejewitsch heißen, dann meine ich Sie.«
    »Kennen wir uns?«
    »Nein«, erwiderte die Frau. »Aber ich würde Sie gern kennenlernen. Lassen Sie uns zur Seite gehen, hier stören wir die Passanten.«
    Er folgte ihr ergeben und blieb mit ihr zusammen unter einer Straßenlaterne stehen.
    »Hier sind meine Papiere.«
    Die Frau reichte ihm ihren Dienstausweis. Auf der Fotografie erkannte er jene unscheinbare graue Maus wieder, der er vor kurzem auf der Straße Feuer gegeben hatte. Er erinnerte sich daran, daß er sie amüsiert betrachtet und gedacht hatte, sie würde dastehen und auf einen Freund warten, der nicht kam. Anastasija Pawlowna Kamenskaja, Majorin der Miliz.
    Im Gesicht des Generals zuckte nicht ein einziger Muskel. Er war wirklich in ausgezeichneter Form.

ELFTES KAPITEL
    1
    Nastja Kamenskaja und Wladimir Vakar saßen auf einer kleinen Bank in einem stillen Moskauer Hinterhof. Es war bereits vollkommen dunkel, nur die erleuchteten Fenster warfen einen schwachen Lichtschein in den Hof. Es fiel ein kalter, unangenehmer Sprühregen, Nastja hatte ihre Kapuze übergezogen, Vakar saß mit unbedecktem Kopf da.
    »Kennen Sie einen Mann namens Igor Jerochin?« fragte Nastja.
    Vakar dachte einen Moment nach, bevor er antwortete.
    »Vor neun Jahren hat ein Halbwüchsiger, der Igor Jerochin hieß, meinen Sohn umgebracht. Wenn Sie den meinen, dann kenne ich ihn.«
    »Ja, ich meine genau den. Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Vor zwei, drei Tagen. Er hat offenbar seine Mutter besucht, die in einer Nachbarstraße von mir wohnt.«
    »Sagen Sie, Wladimir Sergejewitsch, sind Sie Jerochin vielleicht irgendwann einmal in der Nähe der Metrostation ›Taganskaja‹ begegnet?«
    Vakar schwieg. Schließlich fragte er:
    »Kann ich den Grund Ihrer Fragen an mich erfahren?«
    »Natürlich. Vor einem Monat wurde neben der Metrostation ›Taganskaja‹ der Milizionär Konstantin Maluschkin ermordet. Ich habe den Verdacht, daß Jerochin ihn umgebracht hat. Deshalb suche ich nach Beweisen, das ist alles. Also, Wladimir Sergejewitsch, haben Sie Jerochin dort gesehen?«
    »Was tut das zur Sache, ob ich ihn gesehen habe oder nicht?«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage, Genosse General.«
    »Ich werde nicht antworten, solange ich den Grund Ihrer Fragen nicht kenne.«
    »Gut, ich werde versuchen, Ihnen die Sache zu erklären. Man hat Maluschkin etwa anderthalb Stunden nach der Tat erschossen auf einer Baustelle gefunden. Bis dahin hat er seinen Dienst in der Metrostation versehen. Weder von den Angestellten der Metro noch bei der Miliz weiß jemand, warum er seinen Posten verließ und weshalb er zur Baustelle ging. Obwohl es gegen die Dienstvorschrift ist, ist er, ohne jemandem Bescheid zu sagen, einfach weggegangen. Allerdings war er noch sehr jung und unerfahren, er arbeitete erst seit zwei Monaten bei der Miliz. Unsere Ermittlungsbeamten haben alles versucht, um einen Zeugen zu finden, der

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