Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
Gesellschaft fühle ich mich überhaupt nicht.«
»Warum?«
»Weil ich nie in seiner Gesellschaft bin.«
»Sie kennen ihn also gar nicht?«
»Doch, das schon.«
»Und was halten Sie von ihm? Was ist er für ein Mensch?«
Erneut ein unbestimmtes Schulterzucken.
»Warum fragen Sie mich danach? Fragen Sie lieber Elja, sie kennt ihn besser.«
»Ich werde auch Elja fragen«, erwiderte Korotkow. »Aber jetzt würde ich gern Ihre Meinung hören.«
»Ich habe keine Meinung. Bitte, Jurij Viktorowitsch, lassen Sie uns über Elja sprechen und nicht über ihren Bräutigam.«
»Ist Ihnen das Thema unangenehm?«
»Nein, aber von Elja weiß ich alles, während ich Ihnen über Turbin so gut wie gar nichts sagen kann.«
»Katja, Sie wissen, warum die Trauung nicht stattgefunden hat?«
»Elja hat gesagt, daß man auf dem Standesamt irgendein Mädchen ermordet hat. . .«
»Hat sie Ihnen auch von dem Drohbrief erzählt?«
»Ja, auch davon hat sie erzählt.«
»Hat sie dieser Brief nach Ihrer Meinung sehr erschreckt?«
»Ja, sehr.«
»Kam ihr nicht der Gedanke, die Hochzeit mit Turbin aus diesem Grund abzusagen?«
»Aber Sie wissen doch, daß sie am nächsten Tag zum Standesamt gefahren ist. . .«
»Das war am nächsten Tag. Aber was war am Freitag, nachdem sie den Brief bekommen hatte?«
»Das weiß ich nicht. Am Freitag, nach Erhalt des Briefes, hat sie mich nicht mehr angerufen. Ich habe von all dem erst gestern, am Sonntag, erfahren. Aber ich denke, daß Eljas Mutter die Gelegenheit genutzt hat, um entsprechend auf ihre Tochter einzuwirken. Tamila Schalwowna mag Turbin nicht. Sie ist wahrscheinlich glücklich, daß die Hochzeit nicht stattgefunden hat.«
»Was hat Tamila Schalwowna denn gegen ihn?«
»Das weiß ich nicht, danach müssen Sie sie selbst fragen. Ich weiß nur, daß Elja immer schrecklich unglücklich war, weil ihre Mutter die Heirat nicht billigte.«
»Aber heiraten wollte sie trotzdem«, bemerkte Korotkow.
»Sie ist sehr verliebt in Turbin. Da ist der mütterliche Segen nicht mehr so wichtig.«
»Katja, können Sie sich vorstellen, wer Elja den Drohbrief geschrieben hat?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie haben keinerlei Verdacht?«
»Nun . . . Tamila selbst könnte ihn geschrieben haben, das würde ihr ähnlich sehen.«
»Ach so? Das ist ja interessant. Ist das eine rein intuitive Annahme, oder sind Ihnen irgendwelche Fakten bekannt?«
»Nein, mir sind keinerlei Fakten bekannt. Ich weiß einfach nur, daß Tamila über Leichen gehen würde, wenn es nötig wäre.«
»Und Sie meinen, in diesem Fall war es nötig?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht wollte sie verhindern, daß Valerij in ihre Familie einheiratet. Sie wissen ja, die Reichen schützen sich immer vor Außenstehenden, besonders dann, wenn es sich dabei um arme Schlucker handelt. Solche Snobs wie Tamila und Istvan hat die Welt noch nicht gesehen.«
Turbin ist also ein armer Schlucker. Sehr interessant, dachte Korotkow. Woher weiß sie das, wenn sie ihn kaum kennt, wie sie behauptet? Und warum sagt sie ständig »Ich weiß nicht«, obwohl sie doch vieles wissen müßte? Schließlich kennt sie die Bartoschs schon seit vielen Jahren. Ein seltsames Mädchen, diese Katja.
* * *
Anton Schewzows Stimme am Telefon paßte ganz und gar nicht zu dem energischen jungen Mann, der Nastja mit so viel Elan dazu überredet hatte, sich vor dem Standesamt fotografieren zu lassen. Er sprach mit kaum hörbarer, gedehnter Stimme und machte lange Pausen zwischen den einzelnen Wörtern.
»Was ist mit Ihnen, Anton?« fragte Nastja. »Sind Sie krank?«
»Mich hat es wieder mal erwischt. . . das Herz, wissen Sie. Das kommt bei mir häufiger vor.«
»Und das in Ihrem Alter?« fragte Nastja mitfühlend.
»Ich habe das schon seit meiner Kindheit. Wissen sie, ich renne durch die Gegend, schlafe nächtelang nicht, und dann nietet es mich plötzlich um . . . Atemnot, furchtbare Schwäche.«
»Dieser Zustand ist mir bekannt. Ich habe das auch schon gehabt. Es tut mir sehr leid für Sie. Und in diesem Fall möchte ich Sie nicht länger belästigen. Ich wünsche Ihnen gute Besserung.«
»Was wollten Sie denn?«
»Mich interessiert eines der Fotos, das Sie gemacht haben. Aber wenn Sie krank sind . . . es muß nicht jetzt sein, es hat Zeit.«
»Welches Foto meinen Sie?«
»Das einer Frau, die gleich nach dem Mord das Gebäude verlassen haben muß. Ihr Name fehlt auf der von der Miliz erstellten Personenliste. Ich dachte, daß Sie sich vielleicht an diese
Weitere Kostenlose Bücher