Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
die Schuld daran nur sich selbst. Er hätte nicht so lange zögern dürfen, sondern das Mädchen gleich nach der Rückkehr vom Balaton zum Standesamt schleppen müssen. Aber er hatte so ganz und gar keine Lust dazu gehabt. Bartosch hatte ihn ständig gelobt und seine rechte Hand genannt, und er, Marat, war dumm genug gewesen zu glauben, daß Bartosch nicht ohne ihn nach Kalifornien ausreisen würde. Doch darin hatte er sich gründlich getäuscht.
»Laß uns die Dinge beim Namen nennen, mein Lieber«, hatte Tamila zu ihm gesagt, während sie sich träge unter einer dünnen Decke rekelte. »Ich habe natürlich ganz andere Pläne mit Elja. Hier in Rußland bist du eine ideale Variante. Du bist jung, aber alt genug für sie, du siehst gut aus und hast Erfolg. Du entsprichst durchaus meinen Vorstellungen. Etwas Besseres als du wird hier kaum zu finden sein. Aber Kalifornien ist etwas ganz anderes, das mußt du zugeben. Für das Leben dort braucht sie einen ganz anderen Mann, und ich bin sicher, daß ich den Richtigen für sie finden werde. Es geht nur darum, sie glücklich dort hin zu bringen. Aber dazu müssen wir uns noch etwa anderthalb Jahre gedulden. In dieser Zeit darf sie auf keinen Fall einen anderen heiraten und womöglich schwanger werden. Hast du mich verstanden? Ich rechne mit dir. Mach sie zu deiner Frau, und ich werde ruhig schlafen. Wenn es soweit ist, nehmen wir dich mit in die Staaten, dort läßt du dich von ihr scheiden, und dann werde ich die Sache in die Hand nehmen, um ihr ein neues Leben einzurichten. Eine Hand wäscht die andere. Übrigens, mein Lieber, warum reist du nicht auf eigene Faust aus? Fehlt dir etwa das Geld? Du verdienst doch sehr ordentlich bei uns.«
Lieber Gott, sie sagte wirklich »bei uns«. Sie sagte nicht »in der Firma« oder »bei Istvan«, sie sagte »bei uns«. Wahrhaftig, Tamila Bartosch achtete nie auf ihre Worte, sondern gab ihrem Gesprächspartner großzügig Einblick in das gesamte Spektrum ihrer wahren Gedanken und Absichten.
Tamilas Frage nach dem Geld hatte Marat nicht gefallen, denn er war tatsächlich nicht sehr reich. Es hätte natürlich vollauf genügt, um sich ein Ticket nach Amerika zu kaufen und dort für eine Weile in einem anständigen Hotel zu wohnen. Aber wenn man sich ein respektables Haus kaufen und irgendein Business beginnen wollte, brauchte man ganz andere Mittel. Und die besaß Marat nicht. Obwohl er sie hätte besitzen können, wenn . . . Wenn er nicht dem Spiel verfallen gewesen wäre. Gegen diese Leidenschaft war er machtlos. Er hatte sich selbst schon tausend Schwüre gegeben, er unternahm alle Willensanstrengungen, um aufzuhören, er quälte und marterte sich, aber es nutzte nichts. Immer wieder erlag er seiner Sucht. Davon durfte in der Firma niemand etwas erfahren, sonst hätte man ihn in drei Sekunden auf die Straße gesetzt.
Damals waren er und Tamila zu dem gleichen Schluß gekommen: Elena durfte nichts von der bevorstehenden Ausreise nach Kalifornien erfahren. Tamila versprach, genau darauf zu achten, was ihre Tochter tat, welche Bekanntschaften sie schloß, wohin sie ging und mit wem. Und schließlich war ihr das Entscheidende doch entgangen. Elena hatte einfach nur ihre Freundin zu einem Prüfungstermin an die Uni begleitet, und wer hätte ahnen können, welch unabsehbare Folgen das haben würde.
Leider hatte Tamila viel zu spät von der bevorstehenden Hochzeit erfahren. Ihr Wutanfall war ziemlich schnell vorübergegangen und hatte einer kalten Nüchternheit Platz gemacht. Diesmal war sie es gewesen, die zu Marat eilte.
»Dieser Mann hat einen schlechten Einfluß auf Elena«, hatte sie verkündet. »Er weiß genau, daß wir nichts in der Hand haben, um die Eheschließung auf gesetzlichem Weg zu verhindern. In den zwei Wochen, die noch bleiben, werde ich nichts mehr tun können, um ihn zu kompromittieren und Elena dazu zu bringen, daß sie von ihm abläßt. Sie ist verliebt wie eine läufige Katze und weigert sich strikt, den Hochzeitstermin zu verschieben. Es bleibt nur noch die Hoffnung, daß es mir gelingt, die beiden nach der Heirat so schnell wie möglich wieder auseinanderzubringen. Sie müssen sich wieder scheiden lassen, und du mußt mir dabei helfen.«
Sie hatten schon damals einen Plan geschmiedet, wie man es anstellen könnte, damit das Paar sich baldmöglichst heillos zerstritt und bis Mitte Dezember wieder geschieden war. Jetzt, da die Hochzeit um einen Monat verschoben war, konnte man die Zeit sinnvoll nutzen.
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