Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
genauso weiterleben wie bisher.«
»Wie Sie bisher gelebt haben«, korrigierte ihn Latyschew. »Sie werden weiterleben wie bisher, aber Elja hat ein ganz anderes Leben geführt. Sie werden anstandshalber dafür sorgen müssen, daß sie dieses Leben, an das sie von Kindheit an gewohnt ist, auch in Zukunft fortsetzen kann. Sind Sie dazu in der Lage?«
»Aber Marat, woher sollte Valerij so viel Geld nehmen? Er ist doch kein Geschäftsmann, sondern Wissenschaftler. Er und seine Mutter leben nur von seinem Aspirantenstipendium und von ihrer Rente.«
»Wunderbar«, sagte Marat grinsend. »Und wie stellst du dir euer gemeinsames Leben vor? Willst du dich mit diesen armseligen Kopeken begnügen und dich in ein Aschenputtel verwandeln? Oder willst du arbeiten gehen?«
»Laß das doch, Marat«, sagte sie vorwurfsvoll. »Meine Eltern werden uns unterstützen. Hör auf mit deinen Beleidigungen!«
»Deine Eltern? Wie kommst du darauf, daß sie euch unterstützen werden, mein Täubchen? Glaubst du etwa, daß du auch weiterhin auf ihre Kosten leben kannst? Da muß ich dich enttäuschen. Nach der Hochzeit wirst du keinen Groschen mehr von ihnen bekommen.«
»Aber warum denn?« fragte Elena erstaunt. »Alle Eltern unterstützen ihre Kinder. Die Kinder und die Enkel. Sie geben allen Geld. Warum sagst du, daß meine Eltern das nicht tun werden?«
»Weil deine Eltern, meine Liebe, der europäischen Kultur verpflichtet sind und nicht der russischen. Und nach europäischer Sitte verlassen Frauen nach der Hochzeit das Haus ihrer Eltern, um ein eigenes Leben mit ihrem Mann aufzubauen, eine eigene Familie zu gründen. In Europa leben verheiratete Kinder nie mit ihren Eltern zusammen und erwarten keinerlei Unterstützung. Es ist dort nicht üblich. Übrigens, falls es dich interessiert, unseren luxuriösen Urlaub am Balaton habe ich ganz aus eigener Tasche bezahlt. Denn wenn ich dich liebe und mit dir zusammen Urlaub machen möchte, sind die Kosten mein Problem und nicht das deiner Eltern. Und wenn du verheiratet bist, versteht es sich erst recht von selbst, daß für alles dein Mann aufkommen muß.«
»Das sagst du nur, um uns Angst zu machen«, widersprach Elja trotzig. »Ich glaube nicht daran, daß Papa mir kein Geld geben wird. Er wird mich auf jeden Fall unterstützen. Hör bitte auf, uns etwas einzureden.«
»Ich rede euch gar nichts ein, meine Liebe«, erwiderte Latyschew lachend, »ich versuche nur, dir klarzumachen, was dich erwartet. Oder möchtest du gern in Armut leben? Wenn es so ist, dann viel Spaß. Daß dein Freund seit jeher so lebt, habe ich bereits verstanden. Aber du, was ist mit dir? Du ißt zum Beispiel gern Krabben, und zwar nicht unsere inländischen für dreieinhalbtausend Rubel, sondern die importierten für zwölftausend das Päckchen. Du kaufst dir zwei solche Päckchen und setzt dich damit vor den Fernseher. Nach einer halben Stunde hast du alles weggeputzt, das habe ich oft genug erlebt. In einer halben Stunde verschlingst du vierundzwanzigtausend Rubel, und das so ganz nebenbei. Für deine Eltern und für mich ist diese Summe eine Kleinigkeit, nicht der Rede wert, aber wie sieht das für deinen Freund und seine Mutter aus? Ihr gesamtes monatliches Einkommen wird dir nicht für mehr reichen als für zehn Fernsehabende mit Krabben. Wie gefällt dir diese Aussicht?«
»Hören Sie, Marat«, mischte Turbin sich ein, »Elja und ich möchten gern allein bestimmen, wie wir leben werden. Schließlich kann man auf Krabben auch verzichten, aber das werden Elja und ich untereinander ausmachen und nicht zusammen mit Ihnen.«
»Natürlich kann man auf Krabben verzichten«, stimmte Latyschew nachsichtig zu, »man kann in abgetragenen Kleidern herumlaufen, die Metro benutzen und bei den Verwandten auf dem Land Urlaub machen, wo es kein Warmwasser gibt und nur ein Plumpsklo draußen zwischen den Gemüsebeeten. Man kann alles. Die Frage ist nur, ob man es soll. Worin besteht denn die unschätzbare Kostbarkeit, der Elja ihre Gewohnheiten opfern sollte, das Leben, das sie von Kindheit an geführt hat? Elja, Kindchen, erklär mir altem Dummkopf, was für eine Kostbarkeit das ist? Wofür willst du alles aufgeben, was du besitzt?«
»Wir lieben uns«, sagte Turbin, der begriff, daß Elja völlig verwirrt war und Latyschews Unverschämtheiten nichts entgegenzusetzen vermochte. »Und die Liebe ist jedes Opfer wert.«
»Einverstanden«, erwiderte Marat. »In diesem Fall möchte ich, daß Elja mir erklärt, worin der
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