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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Anspruch genommen, um für die Tatzeit ein Alibi beizubringen, ohne Minajew preisgeben zu müssen. Sie haben mich gebraucht, und Sie brauchen mich auch jetzt, Sie benutzen mich einfach wie einen Gegenstand, dem man nichts erklären muss, weil ein Gegenstand nur zu funktionieren hat.«
    »Ich vermute, das ist purer Zufall«, erwiderte Pawel. »In Jekaterinburg haben uns alle vier aus den Augen verloren, und nur diesen beiden ist es gelungen, uns in Moskau wieder zu finden. Ich glaube nicht, dass die anderen plötzlich abgesprungen sind und nur noch diese beiden sich für meine Wenigkeit interessieren. Ich sagte Ihnen bereits, dass ich mich mit einigem Erfolg verstecke und aus diesem Grund auch Moskau verlassen habe. Wenn ich nicht wegen Rita zurückgekommen wäre, hätten sie mich nicht gefunden.«
    »Sie haben vergessen«, erinnerte Nastja ihn sanftmütig, »dass sie nicht Sie gefunden haben, sondern mich. Und erst danach Sie. Allein die Tatsache, dass ihnen meine Adresse bekannt ist, bedeutet, dass sie mich bereits vor meinem heutigen Treffen mit Ihnen ausfindig gemacht haben. Und es würde mich sehr interessieren, wie die Dinge sich entwickelt hätten, wenn Sie zurzeit nicht in Moskau gewesen wären.«
    In Pawels Gesicht zuckte etwas, und Nastja begriff, dass sie eine für ihn unangenehme Wahrheit berührt hatte. Fürs Erste reicht es, dachte sie, lockern wir die Zügel ein wenig, damit er durchatmen kann. Du bist unverbesserlich, Nastja, sagte sie sich. Noch vor einer halben Stunde hast du dich gewunden vor Qual und hättest alles dafür getan, damit Sauljak endlich geht. Und jetzt hast du dich wieder auf ein Spiel eingelassen, du hast wieder zu arbeiten begonnen, und aller Widerwille ist wie weggeblasen. Deine Leidenschaft für Denksportaufgaben wird dir früher oder später zum Verhängnis werden.
    »Möchten Sie noch Tee?«
    »Nein, danke. Ich wollte sagen . . .«
    »Ja?«
    »Sie brauchen mich nicht zu unterhalten. Tun Sie das, was Sie tun würden, wenn ich nicht hier wäre. Kümmern Sie sich nicht um mich.«
    Du meine Güte, wie feinfühlig wir sind, antwortete Nastja in Gedanken. Offenbar magst du nicht mehr mit mir sprechen. Hast du etwa Angst? Gefällt dir die Wendung nicht, die unser Gespräch genommen hat, Pawel Dmitrijewitsch? Nun gut, dann schweigen wir eben.
    Sie spülte rasch das Geschirr ab und ging nach nebenan. Pawel blieb in der Küche zurück. Endlich war sie allein und konnte das Kuvert öffnen, das Konowalow für sie hinterlegt hatte. Sie entdeckte darin lediglich einige Blätter, Fotokopien von Unterlagen, aus denen eindeutig hervorging, dass der geheimnisvolle Henker noch einen weiteren Verbrecher hingerichtet hatte, einen Mann, der Ende 1992 die gesamte Familie eines für seine demokratischen Ansichten bekannten Abgeordneten ermordet hatte. Es handelte sich um fünf Opfer, um den Abgeordneten selbst, seine Frau, zwei Kinder im Alter von drei und acht Jahren und die alte Mutter des Abgeordneten, die gerade zu Besuch gewesen war. Alle fünf Opfer wurden erschossen, den Revolver hatte der Mörder auf der Brust des Abgeordneten zurückgelassen, mit dem Lauf nach oben, sodass er das Kinn des Toten berührte. Der Henker, der den Mörder des Abgeordneten gerichtet hatte, hatte den Revolver auf genau dieselbe Weise auf der Brust seines Opfers drapiert.
    Dieser Mord hatte sich an einem ganz anderen Ort ereignet als die beiden vorangegangenen. Wahrscheinlich musste nun auch der Personalwechsel bei der Miliz in dieser Region überprüft werden. Obwohl Nastja in Anbetracht des neuen Mordfalles nicht mehr so recht an ihre eigene Hypothese glaubte. Es war denkbar, dass ein Milizionär während der Ermittlungen in diesen blutigen Mordfällen zweimal seine Stelle gewechselt hatte. Aber gleich dreimal? Das war zu viel des Guten. Am ehesten war es wohl so, dass es bei den Behörden in allen drei Regionen undichte Stellen gab, durch die die Information nach draußen floss. Vielleicht hatte der Henker Freunde in diesen Ämtern. Oder er kaufte sich die Informationen, die er brauchte. Um einen Milizionär zu bestechen, bedurfte es heute keiner großen Anstrengung mehr. Ein vor kurzem in Moskau durchgeführtes Experiment hatte gezeigt, dass von sieben Milizstreifen nur eine einzige ihren Dienst versah, die restlichen sechs gingen in der Arbeitszeit ausschließlich ihren mafiosen Angelegenheiten nach.
    Nastja saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem Sofa, mit den verstreuten Papieren um sich herum, sie war so in

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