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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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einfach tun und basta. Friss oder stirb. Aber jetzt zwingt mich niemand mehr, seine Anwesenheit zu ertragen, ich habe mich selbst auf die Situation eingelassen und verstehe einfach nicht, was ich da mache, ob es richtig ist oder falsch. Daher die unangenehmen, qualvollen Empfindungen.
    »Gut«, sagte sie kalt, »Sie können bleiben. Aber Sie werden auf dem Fußboden schlafen müssen, ich habe kein Klappbett.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, ich kann in der Küche sitzen.«
    »Wollen Sie denn nicht schlafen?«
    »Das muss nicht sein, es geht auch ohne. Schließlich kann ich auch in einem Sessel schlafen oder auf einem Stuhl. Das soll nicht Ihre Sorge sein.«
    Es ertönte ein melodisches Klingelzeichen, die Mikrowelle teilte dezent mit, dass das Essen fertig war. Nastja erhob sich unwillig und begann, Teller und Besteck aus dem Schrank zu holen. Der Appetit war ihr vergangen, der Geruch des geschmorten Hühnerfleisches bereitete ihr Widerwillen, aber sie wusste, dass sie etwas essen musste, um nicht ohnmächtig zu werden vor Schwäche. Gewaltsam schob sie sich die Bissen in den Mund, bemüht, sich abzulenken und an etwas anderes zu denken, an die Arbeit, an ihren Mann, an alles Mögliche, nur nicht an den Mann, der mit ihr am Tisch saß.
    Sauljak aß ebenfalls ohne besonderen Appetit, die Augen missmutig auf den Teller geheftet. Schließlich bedankte er sich höflich.
    »Danke, es hat sehr gut geschmeckt.«
    Nastja räumte wortlos die Teller ab, stellte sie in die Spüle und goss Tee ein. Pawel ging ans Fenster.
    »Wie sieht es aus?«, fragte sie desinteressiert.
    »Das Auto steht noch da.«
    »Und die Passagiere?«
    »Die sind nicht zu sehen. Vielleicht sitzen sie im Wagen, vielleicht gehen sie spazieren oder warten an der Haustür. Aber das ist ein gutes Zeichen.«
    »Warum?«, fragte Nastja erstaunt.
    »Da sie noch hier sind, haben sie wahrscheinlich nichts mit meinem Auto angestellt. Wären sie weggefahren, hätten sie sicher eine nette kleine Bombe hinterlassen.«
    Sie tranken Tee und schwiegen erneut. Die Spannung stieg, Nastja musste sich beherrschen, um nicht das nächstbeste Geschirrstück an die Wand zu werfen. Sie hatte keine Lust, sich mit Pawel zu unterhalten, am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn sie sich in zwei verschiedenen Zimmern aufgehalten hätten. Sie hätte ihm sogar liebend gern ihr Zimmer überlassen, er hätte dort fernsehen können, während sie sich in der Küche eingerichtet hätte, um ein wenig zu arbeiten oder zu lesen.
    »Ich gehe jetzt«, sagte Sauljak und erhob sich abrupt. »Man kann ja regelrecht sehen, wie Sie leiden und nicht wissen, wohin mit sich.«
    Nastja zuckte zusammen und hob den Kopf.
    »Wohin wollen Sie denn gehen?«
    »Das spielt keine Rolle. Sie hatten Recht, ich darf hier nicht bleiben.«
    »Warum haben Sie es sich plötzlich anders überlegt?«
    »Weil Sie meine Anwesenheit nur unter Qualen ertragen. Sie fühlen sich so bedrängt, dass es Ihnen nicht einmal gelingt, es zu verbergen. Entschuldigen Sie, ich hätte das alles nicht tun sollen.«
    Nastja fiel ein Stein vom Herzen, doch schon im nächsten Moment empfand sie Scham. Warum stellte sie sich eigentlich so an? Auf der Welt gab es schließlich nicht nur angenehme Menschen, und immer war es ihr bisher gelungen, das Persönliche vom Grundsätzlichen zu trennen, Arbeit und persönliche Gefühle auseinander zu halten. Es war noch kein Monat vergangen, seit sie Pawel vor den Leuten gerettet hatte, die ihm jetzt draußen auflauerten, sie hatte ihre ganze Phantasie und ihren ganzen Ehrgeiz in die Erfüllung dieser Aufgabe investiert, und sie hatte das für richtig und notwendig gehalten. In diesem Moment befand sich Sauljak in genau derselben Lage wie damals. Warum wollte sie ihm jetzt nicht helfen? Nur deshalb, weil sie jetzt niemand damit beauftragt hatte, es zu tun?
    »Bleiben Sie«, sagte sie so liebenswürdig wie möglich. »Seien Sie mir bitte nicht böse. Ich bin von Natur aus nicht sehr gesprächig, die Quasseltante, als die Sie mich kennen gelernt haben, habe ich Ihnen nur vorgespielt. Beziehen Sie meine Schweigsamkeit bitte nicht auf sich. Ich sage Ihnen ehrlich, dass mir wesentlich wohler wäre, wenn Sie sich zu irgendeiner Erklärung herablassen würden. Wenn Sie mir sagen würden, wer diese Leute dort draußen sind. Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie sie nicht kennen. Warum sind sie plötzlich wieder aufgetaucht, und was wollen sie? Ich bin mir sicher, dass Sie das wissen, aber Sie schweigen, und das macht

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