Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
umgestellt wird. Er wird seine Freunde und Mitstreiter angreifen und denunzieren. Danach werden diese sich von ihm abwenden und sich auf unsere Seite schlagen.«
Anton Andrejewitsch machte eine Pause, nickte Tschinzow zu und fuhr dann fort: »Die Abreise des Truppenführers aus Tschetschenien werden Sie arrangieren, Grigorij Valentinowitsch. Wird Ihnen das gelingen? Aber meine Frage ist natürlich überflüssig, jeder weiß um Ihr Geschick in so heiklen Angelegenheiten. Natürlich wird es Ihnen gelingen. Aber wir müssen schnell handeln, meine Herren. Wir haben nicht mehr viel Zeit, übermorgen reist der Truppenführer nach Tschetschenien und wird sich nach vorläufigen Informationen vier Tage dort aufhalten.«
Die Tür öffnete sich, auf der Schwelle erschien ein Diener. »Es ist angerichtet«, verkündete er mit einem fragenden Blick auf den Gastgeber, in Erwartung weiterer Anweisungen.
»Nun denn«, sagte der Gastgeber und erhob sich trotz seiner Leibesfülle behände vom Sessel. »Ich bitte die Herren zu Tisch. Wenn wir Anton Andrejewitschs Vorschlag grundsätzlich annehmen, können wir die Einzelheiten beim Essen besprechen. Darf ich bitten.«
Er deutete mit einer eleganten und gleichzeitig gebieterischen Handbewegung zur Tür, die ins Nachbarzimmer führte. Am Tisch kam Tschinzow neben Anton Andrejewitsch zu sitzen. Die beiden übrigen Gäste nahmen am anderen Ende des Tisches Platz, der Gastgeber saß an der Spitze der Tafel. Tschinzow hatte sich ein wenig beruhigt. Die Aufgabe, die man ihm zugedacht hatte, war durchaus zu bewältigen, und er begann bereits, sich alle möglichen Varianten ihrer Erfüllung durch den Kopf gehen zu lassen. Doch plötzlich änderte sich die Situation.
»Übrigens«, sagte der Herr, der Tschinzow als Turyschew vorgestellt worden war und ihm jetzt gegenübersaß, »ich glaube, dass wir einen Mann wie unseren Grigorij Valentinowitsch weit unter seinen Fähigkeiten einsetzen. Ich denke, er könnte sehr viel mehr für uns tun.«
»Ja?« Der Gastgeber senkte seine Gabel, die er gerade zusammen mit einem saftigen Stück Schweinefleisch zum Mund geführt hatte.
»Ich glaube«, fuhr Turyschew fort, »dass Anspielungen in der Presse bei weitem nicht die Schlagkraft besitzen, die wir in diesem Fall benötigen. Es wäre sehr viel wirkungsvoller, wenn einer der Geheimdienstchefs ein Interview geben und völlig unzweideutig erklären würde, dass die Uhrzeit des Sturmangriffs auf Groznyj unserem Truppenführer genau am Morgen des Tages mitgeteilt wurde, an dem er Tschetschenien eilig verließ. Damit würde er quasi niemanden der Feigheit bezichtigen, sondern nur seine Behörde vor falschen Verdächtigungen schützen. Aber die Bürger unseres Landes werden natürlich ihre eigenen Schlüsse ziehen. Und falls nicht, werden die Medien ihnen schon dabei helfen. Ich versichere Ihnen, dass das sehr viel überzeugender wirken würde. Zumal eine Kunde wie diese nicht nur in unserer Öffentlichkeit Kreise ziehen würde, sondern auch im Ausland. Wir hätten mit großer Resonanz zu rechnen. Erinnern Sie sich, meine Herren, wie viel Aufsehen das Interview mit Ratnikow erregt hat.«
Jetzt geht es los, dachte Tschinzow voller Entsetzen. Das hat mir gerade noch gefehlt. Das Interview mit Ratnikow war Pawels Werk, der Teufel soll ihn in Stücke reißen, diesen Hundesohn. Ich bin zu so etwas nicht in der Lage.
»Das ist keine schlechte Idee«, erwiderte der Gastgeber lebhaft. »Wir sollten ernsthaft darüber nachdenken.«
Tschinzow heftete die Augen auf seinen Teller und gab sich krampfhaft den Anschein, dass ihn die Diskussion nicht sonderlich interessierte. Dabei hatte jedes Wort für ihn den Klang seiner eigenen Todesglocken.
»Ich habe das Gefühl, dass die Idee Ihnen nicht besonders gefällt«, sagte der neben ihm sitzende Anton Andrejewitsch leise.
»Sie haben Recht«, stimmte Grigorij Valentinowitsch bereitwillig zu.
»Und warum? Glauben Sie nicht an die Wirksamkeit dieser Vorgehensweise? Oder sehen Sie irgendwelche Hindernisse, die den hier Anwesenden vorläufig verborgen sind?«
»Ich bin mir nicht sicher, dass ich tun kann, was Sie von mir erwarten«, erwiderte Tschinzow ausweichend. »Ich bin es nicht gewohnt, auf die Schnelle zu arbeiten. Ein solches Interview muss gut vorbereitet sein. Das ist eine Sache von Monaten und nicht von wenigen Tagen.«
»Darf ich fragen, wie viel Vorbereitungszeit Sie für das Interview mit Ratnikow gebraucht haben?«
»Vier Monate«, log Tschinzow, ohne
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