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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Richtung Nachbarwagen, um das Foto bei Licht zu betrachten. Die Zugbegleiterin des Nachbarwaggons, ein sympathisches Pummelchen, das sich bis jetzt flüsternd mit der Kollegin aus Waggon sieben unterhalten hatte, warf den beiden einen schiefen Blick zu, dann gab sie plötzlich einen überraschten Laut von sich und fasste Wesselkow am Ellenbogen.
    »Wer ist das auf dem Foto?«
    Wesselkow warf Nastja einen schnellen Blick zu und zog die Hand mit dem Foto zurück.
    »Warum fragen Sie?«
    »Ich glaube, der ist neulich bei mir im Wagen gefahren. So ein feiner Herr, sehr höflich. Darf ich mal sehen?«
    Nastja nickte unmerklich, und Wesselkow reichte der Frau das Foto.
    »Gütiger Gott!«, rief sie aus. »Der ist ja tot.«
    »Ja, er ist tot«, bestätigte Nastja. »Erkennen Sie ihn? Ist er tatsächlich bei Ihnen im Waggon gefahren, oder sieht er einfach nur jemandem ähnlich, den Sie kennen?«
    »Nein, das war er. Sie waren zu zweit. Er und so ein sympathischer kleiner Armenier. Sie hatten ein Schlafwagenabteil für zwei Personen.«
    Nastja überfiel leichte Panik. Bis zur Abfahrt des Zuges blieben nur noch wenige Minuten, gleich würde diese Frau, eine unschätzbare Zeugin, verschwunden sein, und dann musste man warten, bis sie erneut nach Moskau kommen würde, wahrscheinlich erst wieder in mehreren Tagen.
    Nastja holte innerhalb weniger Minuten das Äußerste an Information aus der verdutzten Zugbegleiterin heraus und nahm ihr das feste Versprechen ab, dass sie anrufen würde, sobald sie wieder in Moskau wäre. Der Zug fuhr an, die Zugbegleiterin stand in der offenen Tür und berichtete immer noch, während Nastja neben dem Zug herging und schließlich zu laufen begann, immer schneller, um ja kein einziges Wort zu verpassen. Sie hatte gar nicht gewusst, dass sie so schnell laufen konnte.
    »Rufen Sie an!«, rief sie der Zugbegleiterin hinterher, als der Bahnsteig zu Ende war und sie dem Zug nicht länger folgen konnte. »Rufen Sie unbedingt an! Es ist sehr wichtig!«
    »Ich rufe an . . .« Das war der letzte Stimmfetzen, den Nastja noch aufschnappen konnte.
    Sie kam mühsam wieder zu Atem und trottete in Richtung Bahnhofshalle. Das Herz klopfte ihr im Hals, der Mund war trocken, die Knie knickten ein. Aber sie lächelte glücklich, während sie über den Bahnsteig ging. Etwas begann sich zusammenzufügen.
    * * *
    Die meisten Menschen mögen keine Arbeitsroutine, finden sie langweilig, ermüdend und unkreativ. Aber für Nastja hatte die Arbeitsroutine eine wichtige Funktion: Sie half ihr, Zeiten angespannten Wartens zu überbrücken. Wären da nicht die tausend Kleinigkeiten gewesen, die erledigt werden mussten, wäre sie wahrscheinlich vor Spannung gestorben, während sie die Ergebnisse aus St. Petersburg erwartete.
    »Stassow«, hatte sie ihren Freund gewarnt, »ich verlasse mein Büro nicht, solange du nicht angerufen hast. Wenn nötig, werde ich bis in die Nacht warten.«
    »Kannst du nicht zu Hause warten?«, fragte Stassow gehässig.
    »Nein, kann ich nicht. Hier ist es einfacher, hier bin ich abgelenkt. «
    Sie hatte tatsächlich sehr viel zu tun, denn jeder ihrer Kollegen ging mehreren Mordfällen gleichzeitig nach, und Nastja musste jedem von ihnen zuarbeiten. Einen Abzug des Fotos mit dem unbekannten Toten hatte sie Mischa Dozenko gegeben, er sollte ihn den Gästen des Empfangs im Hotel Rossija zeigen. Auch hier wartete sie voller Ungeduld auf das Ergebnis.
    Der disziplinierte Mischa rief sie alle zwei Stunden an, doch bis jetzt waren seine Nachrichten nicht sehr ermutigend. Nicht ein Einziger von den Befragten hatte den Mann auf dem Foto wieder erkannt. Allerdings hatte Mischa noch lange nicht alle Gäste befragt.
    Kurz nach zehn Uhr rief Stassow an.
    »Verrat mir ein Geheimnis, Nastja«, rief er fröhlich in den Hörer. »Wie gelingt es dir, aufgrund so vager Informationen die richtigen Leute zu finden? Noch dazu in so kurzer Zeit?«
    »Bedanke dich bei dem Mörder, nicht bei mir. Was ist, Wlad? Hat es geklappt?«
    »Und ob es geklappt hat. Bei dir klappt ja immer alles, Nastjenka. Mchitarows Frau hat den Mann auf den ersten Blick wieder erkannt, sie hat keine Sekunde gezögert. Wir haben ihr acht Fotos mit verschiedenen Leuten gezeigt, und sie hat sofort auf ihn gedeutet. Meine Frau lässt dich grüßen und beglückwünscht dich. Der junge Wesselkow hat ihr gesagt, dass du eine ausgezeichnete Sportlerin bist. Er hat durch das Fenster gesehen, wie du mit dem Zug um die Wette gelaufen bist. Du hast bei diesem

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