Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
männlichem Kinn und lachenden Augen. Nicht mager. Kein krummer Rücken. Keine Brille. Wenn das der abgewiesene Liebhaber war, dann konnte er Alina durchaus erwürgt haben. Aber warum? Derartig attraktive Männer sind selten auf eine einzige Frau fixiert, sie finden leicht Ersatz und trösten sich mit einer anderen.
»Wo könnten wir uns in Ruhe unterhalten?«, fragte Korotkow kühl, nachdem er sich vorgestellt hatte.
»Wenn Sie zehn Minuten warten, können wir hier reden. Unsere Redaktionssitzung ist gerade zu Ende, die Leute rauchen noch eine zusammen, dann gehen sie, und wir sind hier allein.«
Nicht das geringste Anzeichen von Aufregung, Schreck oder Anspannung. Das alles gefiel Korotkow nicht. Schalisko hatte nicht zu viel versprochen, nach ein paar Minuten löste sich die Gruppe auf, und bald waren sie nur noch zu dritt. Sofort öffnete Pawel beide Fenster weit.
»Ich lüfte ein bisschen, der Rauch beißt ja richtig in den Augen«, erklärte er. »Also, ich höre. Sie kommen wegen Alina?«
Korotkow setzte sich an einen Schreibtisch neben dem Sessel, in dem Pawel sich niedergelassen hatte. Nastja blieb irgendwo hinter ihm. Er begriff: Offenbar hatte Selujanow auch in Erfahrung gebracht, welcher der acht Schreibtische der von Schalisko war, und Nastja wollte möglichst nahe an ihn heran, sich umsehen, vermutete Jura.
»Ist es lange her, seit Sie Alina Wasnis das letzte Mal gesehen haben?«
»Ziemlich.«
»Genauer?«
»Sehr lange. Ein halbes Jahr etwa.«
»Und haben Sie in letzter Zeit mit ihr telefoniert?«
»Das kann ich Ihnen gleich genau sagen.« Schalisko überlegte. »Sie ist Mitte Juli zu Außenaufnahmen gefahren, und zwei Tage vor ihrer Abreise hat sie mich angerufen, um mir zu sagen, in welchem Hotel sie wohnen werde.«
»Wozu?«
»Was heißt wozu?«, fragte Schalisko verständnislos.
»Wozu hat sie Ihnen das mitgeteilt?«
»Damit ich sie dort anrufe.«
»Warum sollten Sie sie im Hotel anrufen?«
»Ach so!« Schalisko lachte spöttisch. »Eine Art Spiel, fürs Image. Sagen Sie bloß, da sind Sie nicht selber drauf gekommen?«
»Bin ich nicht, stellen Sie sich vor«, erwiderte Korotkow kühl. »Ich warte auf Ihre Erklärung, und bitte möglichst die Wahrheit.«
Schaliskos Augen gefroren zu Eis, sein Gesicht versteinerte.
»Sie haben keinerlei Grund, mich irgendwie zu verdächtigen. Außerdem habe ich Sie doch wohl noch nicht beschwindelt. Jedenfalls haben Sie mich bislang nicht beim Lügen ertappt. Also seien Sie etwas vorsichtiger mit Ihren Formulierungen.«
Korotkow begriff, dass er sich unverzeihlich hatte gehen lassen, sich im Ton vergriffen und sein Gegenüber verschreckt hatte. Oder misstrauisch gemacht? Aber er war so müde und hatte solche Kopfschmerzen . . .
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte er entschuldigend. »Aber Ihre Erklärung benötigen wir trotzdem.«
»Na schön«, lenkte Schalisko ein. »Alina und ich hatten ein Verhältnis, aber das ist sehr lange her, damals machte sie noch Musikfilme. Unsere Affäre, wissen Sie, die war . . . Kurz gesagt, nicht sehr leidenschaftlich. Alina war ein bisschen zu kalt für Leidenschaft. Wir sind als Freunde auseinander gegangen. Und dann sagte Alina eines Tages zu mir: ›Pawel, ich habe viel verloren dadurch, dass ich mich von dir getrennt habe.‹ Irgendjemand hatte ihr erklärt, ein echter Star brauche unbedingt Verehrer, die um seine Aufmerksamkeit buhlen und ihn mit Blumen überschütten. Und ein werdender Star, ein aufgehender Stern müsse wenigstens einen solchen Verehrer haben. Verstehen Sie, ich war ein sehr aufmerksamer Verehrer – Blumen, Geschenke, Abholen, geduldiges Warten und solche Sachen. Wir haben natürlich beide gelacht, und dann bot ich ihr an, ihr in Erinnerung an unsere zärtliche Beziehung beim Aufbau ihres Star-Images zu helfen. Ich kam regelmäßig mit einem Blumenstrauß ins Studio, wo sie drehte. Außerdem Geschenke zum Geburtstag und zu allen Feiertagen. Wenn sie irgendwo anders drehte, rief ich auf jeden Fall im Hotel an und verlangte ihre Telefonnummer. Die bekam ich natürlich nicht, schließlich ließ sie mich immer in die ›schwarze Liste‹ eintragen, aber dafür wusste jeder, dass Pawel Schalisko vor unglücklicher Liebe schmachtet und Alina Wasnis seine Aufmerksamkeiten satt hat. Das ist alles.«
»Können Sie Ihre Worte irgendwie beweisen?«
»Wie denn?« Schalisko war ratlos. »Höchstens dadurch, dass meine Frau Bescheid weiß. Sie kannte Alina. Sie wissen doch, heutzutage macht keiner
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