Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
als Regisseur. Warum sollte er Alina getötet haben? Warum?
»Warum?«, wiederholte er unwillkürlich laut.
Und Korotkow echote:
»Warum? Nastja, warum sollte Smulow Alina getötet haben? Siehst du einen Grund dafür?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich sehe keinen Grund. Darum befürchte ich ja auch, dass das alles totaler Schwachsinn ist. Bleibt nur das Tagebuch. Vielleicht gibt es darin irgendetwas, einen Hinweis, wenigstens eine Andeutung. Ich werde zu Gmyrja fahren, mir das Tagebuch holen und es lesen, bis ich es auswendig kann. Ich fürchte nur, das wird vergebens sein. Wenn es darin irgendetwas gäbe, dass den Täter entlarvt, hätte er es nicht Schalisko untergeschoben. Er wusste doch, dass wir, wenn wir auf Pawel stoßen, auch das Tagebuch finden und lesen würden. Außerdem hat Gmyrja gesagt, die Aufzeichnungen stammen aus der Zeit von November dreiundneunzig bis März fünfundneunzig. Wenn das Motiv für den Mord später entstanden ist, dann taucht es im Tagebuch möglicherweise gar nicht auf. Wir können nur hoffen, dass es irgendetwas enthält, das uns weiterbringt. Und dass es uns vor allem ein besseres Bild von Alina vermittelt, ein realeres als das, das die geniale Künstlerhand für uns entworfen hat. Wisst ihr, was ich noch aus Smulows Filmen entnommen habe? Er findet, wir seien keinen Pfifferling wert. Er hält uns allesamt für Idioten.«
»Wie kommst du denn darauf?« Stassow hob erstaunt die Brauen. »Gibt’s dafür irgendwelche konkreten Belege?«
»Im Leben nicht, aber in seinen Filmen. Da werden die Verbrechen durchweg nicht von Kripobeamten aufgeklärt, sondern von einer der betroffenen Personen. Dem Ehepartner des Opfers, seinen Kindern, Brüdern oder Freunden. Von wem auch immer, jedenfalls nicht von Profis. Offenbar hält er uns Milizionäre für blöd und beschränkt, und wenn dem so ist, dann hat er bestimmt irgendeinen Fehler gemacht, irgendetwas übersehen, in der Annahme, dass wir in diese Feinheiten sowieso nicht eindringen würden. Jeder Künstler projiziert in seinen Werken sich selbst. Bewusst oder unbewusst. Darum sind Smulows Filme sich auch alle so ähnlich. Es geht darin immer um das Gleiche, um das, was ihm am meisten auf der Seele brannte. Allerdings nur bis zu ›Ewige Angst‹. Dann ist irgendetwas passiert. Bei Sirius heißt es, das sei der Höhepunkt seiner Liebe zu Alina gewesen, denn auch Alinas Spiel wurde von da an viel besser. Vielleicht sollten wir da ansetzen?«
»Wohl kaum«, erwiderte Stassow mürrisch. »Zwei Jahre sind eine zu lange Zeit für ein Mordmotiv. Schließlich behaupten doch alle, in den letzten zwei Jahren sei bei ihnen alles großartig gelaufen. Sollten sie sich etwa zwei Jahre lang verstellt, ihren schwelenden Konflikt vor allen verborgen haben? Ziemlich unwahrscheinlich.«
»Ziemlich«, stimmte Nastja ihm zu. »Schlag eine andere Richtung vor, in der wir suchen müssen, ich bin mit allem einverstanden.«
»Ach so, wenn’s drauf ankommt, soll ich die Entscheidung treffen«, sagte Korotkow empört. »Du bist ja eine ganz Schlaue. Mir fällt nichts ein, du hast mich total verwirrt, Nastja. Mein Vorschlag: Wir machen erst mal eine Pause. Du fährst zu Gmyrja, holst dir Alinas Tagebuch und liest es, und ich beschäftige mich heute mit anderen Fällen. Ich hab außer unserem Filmstar noch vier Morde am Hals. Übrigens, wenn wir beide nicht zu spät zur Arbeit kommen wollen, müssen wir langsam los, es ist schon Viertel vor zehn.«
»Ja? ja, Jura, wir fahren gleich. Na und du, Slawa? Warum sagst du nichts? Sag irgendwas.«
Stassow hatte sich dabei ertappt, dass er, während er Nastja zuhörte, an Tatjana dachte. Wie ähnlich sich die beiden waren! Das heißt, sie waren natürlich total verschieden, diese Kamenskaja war dünn und blass, Tanja dagegen üppig, kräftig und von einer Farbe wie Milch und Blut. Nastja war Ermittlerin, Tatjana Untersuchungsführerin. Nastja hatte vor kurzem zum ersten Mal geheiratet, Tatjana war bereits zweimal verheiratet und würde in Kürze, so Gott wollte, erneut eine Ehe eingehen, nämlich mit ihm, Stassow. Sie waren ganz verschieden, sich zugleich aber irgendwie ähnlich. Vielleicht in ihrer Hingabe an das, was sie taten. Allerdings dachte die Kamenskaja Tag und Nacht an ihre Arbeit, während Tatjana die Ermittlungsakten längst satt hatte und nur noch wegen der Pension in der Tretmühle blieb. Wahre Freude hatte sie nur am Schreiben. Er sehnte sich so nach ihr!
»Was soll ich sagen?«, antwortete
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