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Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Titel: Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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enttäuscht. »Jura hat mir gestern davon erzählt, als ich ihn mit den Produkten meiner zweifelhaften Kochkünste vergiftet habe. Hat sie etwa hier in der Nähe gewohnt?«
    »Vor langer Zeit. Ihre Familie wohnt noch hier. Ich wollte mit ihnen reden, aber sie sind nicht zu Hause. Also warte ich.«
    »Ich setze mich ein bisschen zu dir.«
    Selujanow setzte sich neben sie, streckte die Beine aus und lehnte sich gegen die harte, unbequeme Rückenlehne.
    »Ich renne schon den ganzen Tag rum. Dieser Woloschin hat nirgends gearbeitet, lebte bei seiner Mutter. Die Mutter ist Rentnerin, ist am Freitag zur älteren Tochter auf die Datscha gefahren. Gestern Abend kommt sie zurück, und da liegt ihr Sohn in der Wohnung und ist tot. Er hat schon gerochen. Lag bestimmt drei Tage da.«
    »Und wie ist er ermordet worden?«, fragte Nastja träge, nur, um Kolja nicht zu kränken und das Gespräch in Gang zu halten. Sie interessierte sich kein bisschen für irgendeinen Woloschin, der drei Tage tot in der Wohnung gelegen hatte.
    »Ein Schlag auf den Kopf mit einem schweren Gegenstand. Die Techniker werden uns Genaueres sagen. Hier, so ist er zugerichtet worden.«
    Kolja holte mehrere Fotos aus der Tasche und reichte sie Nastja. Die nahm sie, warf einen gleichgültigen, flüchtigen Blick darauf und wollte die Fotos schon zurückgeben, als sie plötzlich . . . Ein großes Muttermal auf der Wange. Schmale Lippen. Dieses Gesicht hatte sie schon einmal gesehen. Aber wo?
    »Kolja, ist das dieser Woloschin? Ich glaube, den habe ich schon mal irgendwo gesehen. Ist er mal in einem unserer Fälle aufgetaucht?«
    »Ich glaube nicht.« Selujanow zuckte die Achseln. »Ich habe ihn überprüfen lassen – keine Vorstrafen, keine Festnahmen.«
    »Vielleicht als Zeuge?«
    »Na, also das . . .« Kolja hob dramatisch die Arme. »Du verlangst Unmögliches, Anastasija Pawlowna. Aber du bist ihm wohl kaum begegnet, das ist keiner von deinen Kunden. Hier, sieh mal.« Er holte ein Notizbuch aus der Tasche. »Hilfsarbeiter, Packer, ohne Arbeit, nächtliche Warenannahme in einem Milchladen, dann wieder ohne Arbeit, dann wieder Packer. Dann war er zwei Jahre weg, seine Mutter sagt, in Sibirien, ist erst vor kurzem zurückgekommen. Ich habe eine Anfrage hingeschickt, ist doch interessant, was er da zwei Jahre gemacht hat.«
    »Ja, das ist interessant«, erwiderte Nastja mit zitternder Stimme, »wirklich interessant.«
    Zwei Jahre! Zwei Jahre . . . Ja, natürlich, dieses Gesicht mit dem Muttermal und den schmalen Lippen hatte Alina in ihrem Tagebuch beschrieben. Von diesem Gesicht hatte sie geträumt, und vor genau zwei Jahren hatte sie geschrieben, dass sie keine Angst mehr davor haben müsse. Vor zwei Jahren war ihr Spiel plötzlich besser geworden. Und vor zwei Jahren war dieser Woloschin, der Mann mit dem Muttermal und den schmalen Lippen, der ganz in der Nähe des Hauses wohnte, in dem sie aufgewachsen war, nach Sibirien gegangen. Und dann wurden alle beide, Alina und Woloschin, fast gleichzeitig getötet. Zufall?
    Selujanow
    Am nächsten Tag flog Selujanow nach Krasnojarsk, von dort mit einer vorsintflutlichen AN 2 weiter bis zur Kreisstadt, und anschließend brachte ein Milizjeep ihn über Holperstrecken bis zu einer Gasprom-Baustelle. Dort war der vor einigen Tagen in Moskau ermordete Viktor Woloschin fast zwei Jahre lang als Hilfsarbeiter beschäftigt gewesen.
    Als Erstes suchte Selujanow das Haus auf, in dem Woloschin gewohnt hatte. Es gehörte einer kräftigen jungen Frau, die aus Tjumen stammte, auf der Baustelle arbeitete und das Haus zu einem moderaten Preis von zwei alten Leutchen gekauft hatte, die zu ihren Kindern nach Krasnojarsk gezogen waren. Sie empfing Kolja freundlich, doch als der Name Woloschin fiel, hörte sie auf zu lächeln.
    »Ist ihm was zugestoßen?«, fragte sie erschrocken, die dick geschminkten Augen auf Kolja gerichtet.
    Dann weinte sie lange, wobei sie immer wieder Satzfetzen ausstieß wie: »Was hat ihm hier denn gefehlt . . .«, »Warum musste er auch unbedingt weg . . .« Schließlich hatte sie sich ausgeweint und erzählte mehr oder weniger zusammenhängend.
    Die erste Zeit hatte Viktor mit anderen Arbeitern zusammen in einem Bauwagen gelebt, dann hatte er sie, Raissa, kennen gelernt und war zu ihr gezogen. Er war ein wenig sonderbar, irgendwie menschenscheu, ging manchmal einfach weg, in den Wald – der Wald, sagte er, beruhige ihn. Viktor sagte, er sei weg aus Moskau, um näher an der Taiga zu sein. Er war eigentlich ein

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