Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes
nachdem Korotkow und Nastja bei ihm erschienen waren.
»Wovon halten Sie nichts?«, fragte Korotkow verständnislos.
»Von Sippenwirtschaft.«
Strelnikow lächelte herablassend.
»Es gibt Leute, denen es gefällt, ihre sämtlichen Verwandten, Freunde und sogar zufälligen Bekannten zusammenzubringen. Sie schaffen um sich herum eine Korona von Leuten, die sich alle gegenseitig kennen, und geben sich genüsslich der Illusion hin, wie beliebt sie sind und wie viele Freunde ständig um sie herumschwirren. Es gibt sogar solche, die ihre ehemaligen und neuen Ehefrauen oder Freundinnen miteinander bekannt machen und sich darüber freuen, dass die Damen ganz normal miteinander kommunizieren, sich gegenseitig nicht die Augen auskratzen, sondern sich scheinbar sogar mögen. Das nenne ich Sippenwirtschaft.«
»Sie selbst tun so etwas nicht?«
»Niemals.«
»Warum denn? Was ist schlecht daran, wenn Ihre Freunde sich gegenseitig kennen und Kontakt miteinander pflegen? Ist es nicht angenehm, so eine Gemeinschaft um sich zu haben?«
»Mir ist es nicht angenehm«, versetzte Strelnikow. »Ich weiß nur zu gut, wozu so etwas führt. Jedenfalls habe ich meinen Sohn nicht mit meiner Freundin bekannt gemacht.«
»Betrifft das nur die Schirokowa, oder hat Ljuba Sergijenko ihn auch nicht gekannt?«
»Da war es etwas anders . . . Mit Ljuba habe ich lange zusammengelebt, und wenn mein Sohn mich anrief, dann kam es mitunter vor, dass sie das Telefon abnahm. Aber das ist nur einige wenige Male vorgekommen, Sascha ruft mich selten an, höchst selten.«
»Warum?«, fragte Nastja erstaunt. »Haben Sie Probleme mit Ihrem Sohn?«
»Ganz und gar nicht. Ich selbst rufe ihn fast täglich an, deshalb braucht er es nicht zu tun. Er ruft nur in dringenden Fällen selbst an. Aber ich wiederhole, außer einigen kurzen Telefongesprächen hat es zwischen Ljuba und Sascha keinen Kontakt gegeben. Jedenfalls ist mir nichts davon bekannt.«
»Und wie war es mit Mila?«, fragte Korotkow noch einmal nach, um wieder auf das Wesentliche zu kommen.
»Mila hat ihn erst recht nicht gekannt. Sascha hat seit einiger Zeit eine neue Freundin und ist mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Soviel ich weiß, hat er in der Zeit, in der Mila bei mir gewohnt hat, kein einziges Mal bei mir angerufen. Aber ich verstehe nicht, warum Sie mich das fragen. Warum interessiert es Sie, ob mein Sohn Mila gekannt hat?«
»Ich werde es Ihnen erklären, aber etwas später«, versprach Jura. »Jetzt würde ich gern von Ihnen erfahren, ob die Tomtschaks Ihren Sohn kennen.«
»Selbstverständlich. Sie kennen ihn seit seiner Geburt. Es kann ja gar nicht anders sein, da Slawa und ich seit unserer Studienzeit miteinander befreundet sind.«
»Also hat Larissa Michajlowna ihn auch gekannt?«
»Aber sicher.«
Man spürte, dass Strelnikow langsam ärgerlich wurde.
»Nachdem Larissa ihr Medizinstudium abgeschlossen hatte und Ärztin geworden war, haben wir uns mit gesundheitlichen Problemen immer an sie gewandt. Als Sascha mit sieben Jahren von einem Baum fiel und sich eine leichte Gehirnerschütterung zuzog, hat Larissa ihn jahrelang beobachtet, da solche Verletzungen, auch wenn sie leichter Natur sind, mit den Jahren zu Komplikationen führen können, besonders in der Pubertät. Seitdem hat sie Sascha viele Jahre lang mindestens zweimal pro Jahr untersucht. Zum Glück ist alles gut gegangen. Larissa hat uns versichert, dass keine Folgeschäden aufgetreten sind.«
Zurück in der Petrowka, rief Nastja Untersuchungsführer Olschanskij an. Er hatte Tomtschak bereits vernommen, und dessen Aussagen stimmten mit denen von Strelnikow überein. Es war also unmöglich, dass Larissa Sascha nicht erkannt hätte, egal, in welcher Maskerade er aufgetreten wäre. Wieder war alles völlig unklar. Der spielsüchtige junge Mann konnte zwar Mila Schirokowa umgebracht haben, aber nicht Larissa Tomtschak. Sie mussten wieder von vorn beginnen.
»Konstantin Michajlowitsch, was sollen wir mit Derbyschew machen?«, fragte Nastja missmutig. »Wir müssen ihn freilassen, die Frist läuft ab. Und ich habe keinerlei Ideen. Heute Morgen hatte ich noch jede Menge davon, aber jetzt sind alle zerplatzt wie Seifenblasen.«
»Das ist schlecht. Du enttäuschst mich, Kamenskaja«, sagte Olschanskij ernst. »Wir könnten die altbewährte Methode des Sturmangriffs ausprobieren. Vielleicht klappt es ja.«
»Wie das?«
»Ganz einfach. Ihr holt Derbyschew aus der Zelle und bringt ihn in einem Polizeiwagen hier her, zu
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