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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Wie hatte das Mädchen geheißen? Nein, Larissa konnte sich nicht erinnern. Und es wäre auch sinnlos gewesen, sich an die Schwangerenberatung zu wenden, nach so vielen Jahren hatte man die Patientenkarte mit Sicherheit vernichtet. Wahrscheinlich existierte diese Beratungsstelle gar nicht mehr, in siebenundzwanzig Jahren hatte sich alles verändert . . .
    Doch die drei jungen, fröhlichen Studenten, deren einer Larissas Mann geworden war, wussten sicher, wer dieses Mädchen war und wo man es suchen musste.
    * * *
    Nachdem Larissa eine Weile nachgedacht hatte, kam sie zu dem Schluss, dass alles nicht so einfach war, wie sie zuerst gedacht hatte. Sie war eine sehr rationale Person und versuchte nie, sich selbst zu betrügen. Sie machte sich sehr schnell klar, dass jeder x-Beliebige den hilflosen Zustand des alkoholisierten, tief schlafenden Mädchens ausgenutzt haben konnte, unter anderem auch einer der drei Freunde. Der Gedanke daran, dass es auch ihr eigener Mann gewesen sein konnte, war nicht sehr angenehm, aber Larissa konnte es nicht ausschließen. Im Idealfall würde sich allerdings herausstellen, dass Strelnikow der Vergewaltiger war. Diese Enthüllung würde ihm endlich das Genick brechen und Larissa Gelegenheit geben, ihm alles heimzuzahlen, was sie in all den Jahren seinetwegen erdulden musste. Es hatte wenig Sinn, ihren Mann nach dem Namen des Mädchens in dem weißen Pullover zu fragen, denn wenn tatsächlich einer der drei Freunde der Vergewaltiger war, würde ihr Mann ihr nichts sagen. Er würde ihr den Namen des Mädchens nur dann nennen, wenn die drei nichts mit der Sache zu tun hatten und nichts davon wussten.
    Larissa war sich sicher, dass sie sich an den Namen erinnern würde, wenn sie ihn nur hörte. Wie alt war das Mädchen damals gewesen? Neunzehn, hatte sie der Ärztin gesagt. Also war sie damals im zweiten oder dritten Semester. Man konnte es vielleicht an der Uni versuchen. Dort entwickelten sich Freundschaften meistens innerhalb einer Studiengruppe, also hatte das Mädchen wahrscheinlich in einer Gruppe mit Slawa, Gena und Wolodja studiert. So kam Larissa der Sache schon näher. Doch würde man ihr an der Uni Auskunft erteilen? Warum sollte jemand ihretwegen in alten, verstaubten Archiven herumwühlen?
    Sie kaufte eine riesige Schachtel Pralinen und eine teure Flasche Cognac und fuhr zum Dekanat des Instituts, an dem Tomtschak, Leontjew und Strelnikow im Jahre 1972 ihr Studium abgeschlossen hatten. Alles war viel einfacher, als Larissa es sich vorgestellt hatte, die Pralinen und der Cognac bewirkten sehr viel mehr als alle inständigen, tränenreichen Bitten. Bereits nach zwei Stunden war Larissa im Besitz einer Liste, auf der die Namen der Studenten standen, die 1969 mit ihrem Mann in einem Semester waren. Sie hatte sich auf den Besuch im Dekanat sehr gut vorbereitet und auch daran gedacht, dass das Mädchen sein Studium vielleicht gar nicht mit den anderen abgeschlossen, sondern es wegen der Geburt des Kindes unterbrochen oder gar ganz aufgegeben hatte. Deshalb hatte sie nicht nach den Listen mit den Namen der Absolventen gefragt, sondern nach den Studenten des ersten und zweiten Semesters. Außerdem wusste Larissa aus ihrem eigenen Studium, dass die Studiengruppen sich im letzten Jahr oft auflösten, da die Studenten sich in verschiedenen Fachbereichen zu spezialisieren begannen und neue Studiengruppen entstanden.
    Larissa suchte die Listen nach ihr bekannten Namen ab und stellte fest, dass die drei Freunde, Tomtschak, Leontjew und Strelnikow, gemeinsam in der Studiengruppe Nummer vier gewesen waren. Nun begann sie, sich auf die Frauennamen zu konzentrieren. Als sie auf den Namen Zukanowa stieß, war ihr sofort klar, dass das Mädchen in dem weißen Pullover so geheißen hatte. Ja, natürlich, Zukanowa. Nadeschda Romanowna Zukanowa. Schon damals, vor siebenundzwanzig Jahren, war ihr aufgefallen, dass die Patientin denselben Vor- und Vatersnamen trug wie die Direktorin des Instituts, an dem Larissa studiert hatte. Auch sie hatte Nadeschda Romanowna geheißen.
    Nadeschda Zukanowa also. Ein nicht sehr häufiger Familienname, außerdem hatte sie das Geburtsjahr. Damit konnte man es versuchen. Natürlich wollte Larissa nicht, dass Tomtschak sich als derjenige erwies, der an dieser unschönen Geschichte schuld war. Vielleicht sollte sie die ganze Sache lieber vergessen? Sie war seit vierundzwanzig Jahren mit Tomtschak verheiratet, sie waren immer gut miteinander ausgekommen, und obwohl sie keine

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