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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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lassen wie Trantae, außer dass es bis zum letzten Akt ungefähr sechs Monate dauern wird.«
    »Das ist die verrückteste Idee, die ich je gehört habe«, sagte ich. »Du bist ein ziemlicher Spinner.«
    »Willst du mir helfen oder lieber weiterhin diesen Gören da unten beibringen, wie man einen Ton hält?«
    »Ist das ein Trick, um mich zum Unkrautjäten zu überreden?«
    »Nein. Wir lassen das Unkraut doch wachsen – schon vergessen?«
    »Was passiert, wenn das Unkraut gewonnen hat? Wir können nicht das Klostrum in Brand stecken. Vielleicht könnten wir das Bienenhaus plündern und den ganzen Met trinken?«
    »Das hat während der Apert schon jemand getan«, erinnerte er
mich ernst. »Nein, wir werden es vermutlich alles in Ordnung bringen müssen. Wenn die Leute es allerdings mögen, könnten wir auch der Natur ihren Lauf und auf dem eroberten Gebiet ein Wäldchen wachsen lassen.«
    »Eins der Dinge, die mir daran gefallen, ist, dass es mir im nächsten Sommer eine gute Aussichtsposition verschaffen wird, von der aus ich zusehen kann, wie Arsibalt von einem wütenden Bienenschwarm durch die Gegend gejagt wird.«
    Lio lachte. Insgeheim dachte ich, dass sein Plan noch einen weiteren Vorteil hatte: Er war durch und durch albern. Bisher hatte ich mich in Nebenbeschäftigungen versucht, die, wie die Betreuung von Barb und die Unterweisung von Fids im Singen, vernünftig und rechtschaffen waren. Typisches Verhalten von jemandem, der sich darauf vorbereitete, zurückzufallen. Den Sommer mit etwas absolut Lächerlichem zu verbringen, würde offen zeigen, dass ich keine derartigen Absichten hegte. Diejenigen Mitglieder des edharischen Kapitels, die mich nicht gewollt hatten, würden fuchsteufelswild sein.
    »Ich mach’s«, sagte ich. »Ich vermute aber, dass wir noch ein paar Wochen warten müssen, bevor irgendetwas anfängt zu wachsen.«
    »Du kannst doch ganz gut zeichnen, stimmt’s?«, fragte Lio.
    »Besser als du, aber das will nicht viel heißen. Ich kann technische Illustrationen machen. Darin ist Barb erstaunlich gut. Warum?«
    »Ich dachte, wir sollten darüber Protokoll führen. Bilder davon zeichnen, wie es im Verlauf der Schlacht aussieht. Das hier wäre ein hervorragender Aussichtspunkt.«
    »Soll ich Barb fragen, ob er Interesse hat?«
    Lio wirkte etwas beklommen. Vielleicht weil Barb so unausstehlich sein konnte; vermutlich, weil Barb ein neuer Fid war und noch keine Nebenbeschäftigung haben durfte. »Vergiss es, ich mache es selbst«, sagte ich.
    »Prima«, sagte Lio, »wann kannst du loslegen?«
     
    In der Woche darauf lasen Lio und ich ein paar historische Werke über die Schlacht von Trantae und schlugen Pflöcke in den Boden, um bedeutende Stellen zu kennzeichnen, zum Beispiel wo General Oxas, von acht Pfeilen durchbohrt, in sein Schwert gefallen war. Ich konstruierte einen rechteckigen Rahmen, etwa so groß wie ein Servierbrett, in den ich ein Gitter aus Bindfaden spannte. Die Idee dahinter war, dass ich diesen Rahmen auf die Brüstung stellte und wie
durch einen Fensterrahmen hindurchschaute, während ich zeichnete; wenn ich ihn auf diese Weise den ganzen Sommer über benutzte, würde jede Illustration sich mit der nächsten decken. Eines Tages könnten wir sie dann in einer Reihe aufhängen, und die Leute würden daran vorbeigehen und den Unkrautkrieg wie in einem Spulo ablaufen sehen.
    Lio verbrachte viel Zeit damit, auf der Suche nach besonders aggressiven Exemplaren verschiedener Unkrautarten das Gebüsch am Ufer zu durchkämmen. Gelbe Sternblüte sollte die sarthische Kavallerie, rote und weiße deren Verbündete darstellen.
    Wir warteten beide auf den Moment, wo wir Ärger bekommen würden.
    Und tatsächlich, ein paar Wochen nach Beginn des Projekts blickte ich während des Abendessens auf, um Fraa Spelikon ins Refektorium kommen zu sehen, begleitet von einer jüngeren Hierarchin aus dem Stab der Regelwartin. Die Gespräche wurden für einen Moment leiser – ungefähr so, wie wenn der Strom auszufallen droht und der Raum braun wird. Spelikon schaute sich im Refektorium um, bis er mein Gesicht entdeckte. Dann schnappte er sich mit zufriedener Miene ein Tablett und verlangte nach Essen. Hierarchen durften mit uns essen, taten es aber selten. Sie mussten sich ziemlich heftig darauf konzentrieren, dass ihnen keine säkulare Information herausrutschte, sodass eine entspannte Mahlzeit kaum möglich war.
    Alle hatten bemerkt, wie Spelikon mich angeschaut hatte, und so folgte auf den Brownout ein

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