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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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glaube ganz im Ernst, dass die durch Schallwellen herbeigeführte physikalische Vibration unseres Gehirns dessen Funktionsweise verändert. Und wenn ich ein knorriger alter Tausender – und nicht ein neunzehnjähriger Zehner – wäre, ginge ich vielleicht sogar so weit zu behaupten, dass das Gehirn in einem solchen Zustand Dinge denken kann, die es sonst niemals denken könnte. Mit anderen Worten, ich glaubte nicht, dass Fraa Jad die ganze Nacht nur deshalb singend verbracht hatte, weil er ein Musikliebhaber war. Er war dabei, irgendetwas zu tun.
    Ich ließ Fraa Jad allein und machte, während die Sonne aufging, einen kleinen Spaziergang. Bald verriet mir ein Klappern und Scheppern aus dem Speisesaal, dass die Angestellten des Einkehrzentrums dabei waren, das Frühstück zu richten. Ich ging erst zu meiner Zelle, wo ich mir meine Extrakleider anzog, und dann zu ihnen, um mich nützlich zu machen. In mancher Hinsicht mochte ich extramuros hilflos sein, aber kochen konnte ich. Fraa Jad und die übrigen Mitglieder unserer Gruppe trudelten einer nach dem anderen ein und versuchten zu helfen, bis man sie hinauswarf und zum Essen verdonnerte.
    Zu den vier Mönchen, die am Abend zuvor mit uns gegessen hatten, gesellten sich zum Frühstück drei weitere, darunter ein sehr alter, der mit Fraa Jad sprechen wollte, obwohl er ziemlich schwerhörig war. Die übrigen Avot ließen sie in Ruhe. Diese Mönche schienen es als große Ehre zu betrachten, mit einem Tausender sprechen zu dürfen, warum sollten wir uns da einmischen? Eine weitere Gelegenheit dazu würden sie nicht bekommen.
    Am Ende des Frühstücks überreichten sie uns ein paar Bücher als Geschenk. Ich überließ es Arsibalt, sie entgegenzunehmen und eine nette Rede zu halten. Das, was er sagte, gefiel ihnen so gut, dass ich etwas unruhig wurde, da er sie zu ermuntern schien, alle möglichen natürlichen Verbindungen zwischen sich und uns zu sehen. Doch es schadete uns nicht. Diese Leute waren gut zu uns gewesen, und das von ganzem Herzen und ohne irgendetwas dafür zu erwarten – ich war mir ziemlich sicher, dass die Säkularen Machthaber sie nicht entschädigen würden! Deshalb bereitete mir Arsibalts Rede solches
Unbehagen: Er schien die Möglichkeit in Aussicht zu stellen, dass sie doch etwas dafür bekämen, nämlich künftigen Kontakt zwischen ihnen und uns. Ich trat ihm auf den Fuß. Er schien zu verstehen, was ich ihm sagen wollte. Ein paar Minuten später fuhren wir bereits den Berg hinunter, nachdem die Bücher der Mönche Arsibalts tragbarer Bibliothek einverleibt worden waren.
    Erasmas: Ein Fraa, der im 14. Jahrhundert A. R. im Konzent Saunt Baritoe zusammen mit Suur Uthentine den Zweig der Metatheorik begründete, den man Komplexen Protismus nennt.
    DAS WÖRTERBUCH, 4. Auflage, A. R. 3000
    Zwischen dem Mönchskloster und Blys Koppie rieselte ein sehr kleiner Bach durch eine sehr breite Schlucht, die nur von einer einzigen befahrbaren Brücke überspannt wurde. Bis wir sie überquert und eine Gabelung erreicht hatten, brauchten wir nicht weiter darüber nachzudenken, welche Richtung wir einschlagen sollten. Die Straße zur Linken beschrieb einen weiten Bogen um den Berg herum. Die zur Rechten führte am Ufer eines kleinen Zuflusses entlang zu einer Siedlung hinauf, deren Name auf der Kartabla mit Samble angegeben war. Also schlugen wir diese Richtung ein und befanden uns, eine gute Stunde nachdem wir das Kloster verlassen hatten, auf dem Weg zu etwas, das aus der Ferne wie ein Topfschwamm aussah, den jemand auf die glatte südliche Flanke von Blys Koppie hatte fallen lassen. Es war ein Teppich aus verkrüppelten Bäumen. Als wir näher kamen, sahen wir, dass er durch Mauern, Dächer und Zäune von Siedlern in zwei Teile gespalten worden war. Größere Bäume, an die sich offensichtlich Generationen von Leuten um ihres Schattens oder ihrer Schönheit willen angeschmiegt hatten, standen in einem Rechteck um eine Grasfläche herum, an deren Ende sich der spitze, holzgerahmte Himmelsaltar einer Antibazischen Arch erhob. Ohne irgendeine Kommunikation zwischen den beiden Fahrzeugen fanden wir unseren Weg zu diesem Dorfanger. Beim Aussteigen hörten wir Gesang aus der Arch. Zu sehen war jedoch niemand. Das ganze Dorf – einschließlich Ganelial Crade, dessen Hol auf
einem unbefestigten Platz hinter der Arch parkte – befand sich in diesem Gebäude.
    Dies schien kein guter Ort zu sein, um nach Orolo oder (vorausgesetzt, er war noch am Leben) Estemard zu suchen.

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