Anathem: Roman
meine Leute sie und ihre Oberflächen verbessert. Sie sind für uns das, was für Fraa Erasmas und seinesgleichen das Mynster ist. Wenn ich unter einem bestimmten Thema nachschaue, finde ich nicht nur Informationen
über dieses Thema, sondern auch Metainformationen, die mir sagen, was die Filtersysteme während des Suchprozesses gelernt haben. Schaue ich zum Beispiel Analemma nach, dann sagt mir das Filtersystem, dass nur wenige Quellen Material darüber geliefert haben und diese zumeist einen guten Ruf genießen – es sind Avot. Schaue ich nun den Namen einer populären Sängerin nach, die sich gerade von ihrem Freund getrennt hat«, fuhr Sammann fort und deutete mit dem Kopf auf eine in Tränen aufgelöste Frau auf dem Spulo, »sagt mir das Filtersystem, dass erst kürzlich Unmengen von Daten zu diesem Thema eingestellt wurden, hauptsächlich von sehr schlechtem Ruf. Gebe ich aber die Ausgrabung des Tempels von Orithena auf der Insel Ekba als Suchbegriff ein, teilt das Filtersystem mir mit, dass über sieben Jahrhunderte hinweg Leute von sehr gutem wie auch von sehr schlechtem Ruf Beiträge zu diesem Thema verfasst haben.«
Falls Sammann sich zum Ziel gesetzt hatte, Crade mit dieser Erklärung zu beruhigen, hatte er es verfehlt. »Was ist zum Beispiel ein Mensch mit gutem Ruf? Irgendein Fraa, der in einem Konzent sitzt?«
»Ja«, antwortete Sammann.
»Und was wäre dann eine Quelle von schlechtem Ruf?«
»Ein Verschwörungstheoretiker. Oder jemand, der eine Menge langer, weitschweifiger Beiträge verfasst, die außer Gleichgesinnten niemand liest.«
»Ein Deolatist?«
»Hängt davon ab«, sagte Sammann, »worüber der Deolatist schreibt.«
»Und wenn er über Ekba schreibt? Orithena? Das Teglon?«, fragte Crade, während er mit dem Zeigefinger auf eine Phototypie klopfte, die den zehnseitigen Platz vor dem alten Tempel darstellte.
»Die Filter sagen mir, dass in dieser Richtung viel verfasst worden ist«, antwortete Sammann, »wie du ja sehr gut zu wissen scheinst. Das alles zu sortieren, ist nicht einfach. Wenn ich ein solches Muster in der Filteroberfläche auftauchen sehe, sagt mir mein Instinkt, dass das meiste davon vermutlich Scheiße ist. Das ist ein schnelles und oberflächliches Urteil. Ich könnte mich täuschen. Ich entschuldige mich, wenn meine Wortwahl dich verletzt hat.«
»Schon vergeben«, schnappte Crade.
»Schön!«, rief ich, nachdem einige Augenblicke in unbehaglicher
Stille verstrichen waren. »Das war faszinierend. Gut, dass wir dahintergekommen sind, bevor wir viel Zeit damit verschwendet hätten, die Berge abzusuchen! Offensichtlich hat sich die Voraussetzung für meine Suche nach Orolo vollkommen geändert. Keiner von euch war davon ausgegangen, dass er sich ans andere Ende der Welt begeben würde. Ihr werdet jetzt also alle umkehren und euch wieder auf den Weg nach Süden machen wollen.«
Alle schauten mich bloß an. In keinem der Gesichter war etwas zu lesen.
»Jedenfalls stelle ich mir das so vor«, fügte ich hinzu.
»Das ändert nichts«, sagte Sammann.
»Ich habe nicht die Absicht, meinen Blutsverwandten in dieses Dreckloch fallen zu lassen«, sagte Cord.
»Ihr braucht zwei Fahrzeuge für den Fall, dass eins in der Kälte liegen bleibt«, sagte Ganelial Crade. Gegen seine Logik konnte ich nicht argumentieren. Ich glaubte aber nicht einen Moment lang, dass das der wirkliche Grund für seinen Wunsch war, mitzukommen. Nicht nachdem ihm das Wort Teglon herausgerutscht war.
»Von hier bis dreiundachtzig Nord sind es auf einem Großkreis zweitausend Meilen«, sagte Sammann, mit seinem Nicknack beschäftigt. »Auf der Landstraße sind es ungefähr zweitausendfünfhundert.«
»Wenn du und Sammann fahren lernt, Raz, damit wir uns abwechseln können, wäre es in drei oder vier Tagen zu schaffen«, sagte Crade.
»Die Straße wird bestimmt schlechter, je weiter wir nach Norden kommen«, sagte Cord. »Ich würde eher eine Woche dafür einplanen.«
Crade hätte das gerne mit ihr diskutiert, aber sie fügte hinzu: »Und wir werden die Fahrzeuge umrüsten müssen.«
Also schlugen wir unser Lager auf dem Gelände hinter der Tankstelle auf und machten uns an die Arbeit. Als die Besitzer erst einmal verstanden hatten, dass wir nur auf der Durchreise in den hohen Norden waren, verloren sie ihr Misstrauen uns gegenüber, und die Dinge wurden einfacher. Sie hielten uns für ein weiteres jener Häufchen von Vagabunden, die dort hinauffuhren, um die Ruinen abzuräumen, nur besser mit
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