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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Material und finanziellen Mitteln ausgestattet als die meisten anderen.
    Am nächsten Tag fuhren wir mit Cords Hol los, um neue Reifen
für Crades zu kaufen. Dann nahmen wir seinen, um Reifen für ihren zu besorgen. Die neuen Reifen hatten ein starkes Profil und grobe Schuhnägel, die aus ihnen herausragten. Cord und Gnel (wie Ganelial Crade jetzt unbedingt genannt werden wollte) arbeiteten gemeinsam an einem werkzeugintensiven Projekt, bei dem sie die Kühl- und Schmierflüssigkeiten der Fahrzeuge gegen solche austauschten, die vor Frost geschützt waren. Weder Sammann noch ich kannten uns mit der Arbeit an Fahrzeugen aus, und so standen wir herum und versuchten, uns nützlich zu machen. Sammann studierte die Route nach Norden, indem er in seinem Nicknack die Einträge von Reisenden las, die diesen Weg erst vor kurzem benutzt hatten.
    »He«, sagte ich irgendwann zu ihm, »ich muss immer wieder an ein Bild denken, das ich gestern auf diesem Spulo gesehen habe.«
    »Den brennenden Bibliothekar?«
    »Nein.«
    »Die Schlammlawine, die die Schule verschüttet hat?«
    »Nein.«
    »Den hirngeschädigten Jungen, der mit den Welpen spielte?«
    »Nein.«
    »Gut, ich gebe auf.«
    »Eine Rakete, die startete.«
    Er schaute mich an. »Und – was? Explodierte? In ein Waisenhaus krachte?«
    »Nein. Das ist es ja eben. Sie startete nur.«
    »Hatte sie Berühmtheiten an Bord oder …«
    »Jedenfalls haben sie keine gezeigt. Die hätten sie doch gezeigt, oder?«
    »Dann frage ich mich, warum sie sich überhaupt die Mühe gemacht haben, die Rakete zu zeigen. Raketen starten andauernd.«
    »Tja, ich kann mir in diesen Dingen kein Urteil erlauben, aber sie sah wie ein besonders großes Exemplar aus.«
    Jetzt schien Sammann allmählich zu verstehen, was ich meinte. »Ich werde sehen, was ich finden kann.«
    Eine ältere, aber geschäftige Dame – eine von Gnels Glaubensschwestern – kam mit einem Kuchen, den sie für uns gebacken hatte, heraus und verwickelte Gnel in ein Gespräch, das gar nicht mehr zu enden schien. Während sie sich unterhielten, donnerte ein großer, schlammbespritzter Hol mit einer Holzkabine auf der
Ladefläche auf das Tankstellengelände, umkreiste uns ein paar Mal und nahm dann vier Parkplätze ein. Die Kuchendame marschierte mit verkniffener Miene davon. Ein dicker Mann mit Bart wälzte sich aus dem Kabinenhol und watschelte, während er sich neugierig umschaute, die Hände in den Taschen, auf Gnel zu. Als er fast vor ihm stand, ließ er ein Grinsen aufblitzen und streckte die Hand aus. Nach kurzem Zögern hielt Gnel ihm seine hin und ließ den Mann sie eine Weile kräftig schütteln. Ihr anschließendes Gespräch dauerte nicht länger als ein paar Sekunden, dann begann der Neuankömmling unser kleines Lager zu durchstreifen, im Kopf eine Bestandsliste dessen anzulegen, was wir alles besaßen, und zu rekonstruieren, was wir wohl bis jetzt gemacht hatten. Nach ein paar Minuten klappte er aus der Seite seiner Kabine-auf-Rädern eine Art mobile Theke aus, feuerte einen Kocher an und begann, uns etwas Heißes zu trinken zu machen.
    »Das ist Yulassetar Crade. Mein Cousin«, sagte Gnel zu mir, während wir dem Cousin dabei zusahen, wie er eine kleine Küche aufbaute, Staub aus Teetassen blies und mit einem Lappen, den er aus seiner Tasche gezogen hatte, Töpfe blank rieb.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Wovon sprichst du?«, fragte Gnel verblüfft.
    »Aus der Art, wie du und die Frau auf ihn reagiert habt, ist klar ersichtlich, dass es da eine Geschichte gibt. Irgendein Problem zwischen euch.«
    »Yul ist ein Ket…«, begann Gnel, verkniff sich aber den Rest des Wortes. »Ein Apostat.«
    Am liebsten hätte ich gefragt: Und abgesehen davon ist er in Ordnung? , ließ es aber bleiben.
    Yul machte keine Anstalten, sich selbst vorzustellen, aber als ich auf ihn zuging, drehte er sich lächelnd zu mir um und schüttelte mir die Hand, bevor er sich wieder seinen Aufgaben widmete. »Streck die Hände aus«, sagte er, und als ich seiner Bitte nachkam, legte er ein Tablett darauf, um anschließend Tassen mit irgendetwas Heißem auf das Tablett zu stellen. »Für deine Freunde«, sagte er.
    Ich bestand jedoch darauf, dass er mitkam. Also gingen wir, nachdem wir Gnel eine Tasse gebracht hatten, zu Sammann hinüber, und ich stellte die beiden einander vor. Dann überredete ich Cord dazu, unter ihrem Hol hervorzurutschen. Sie stand auf, klopfte sich den Staub ab und schüttelte Yul die Hand. Sie bedachten sich

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