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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ein Extra, der so etwas trug. Er war ein Priester des Himmelswarts. Das ist ihr Festgewand.«
    Inzwischen war Cord herübergekommen, um sich den Spulo mit uns anzuschauen. Sie stand hinter Sammanns Stuhl und schaute ihm über die Schulter. »Die vier, die die Nachhut bilden«, sagte sie, »das sind Avot.«

    Bis jetzt hatten wir nur auf den Hohepriester und seine drei Gefolgsleute geachtet. Die andere Hälfte der Gruppe tat nicht viel: Sie gingen einfach im Gänsemarsch von dem Gebäude zum Bus. »Was veranlasst dich zu der Aussage?«, fragte ich. »Außer der Tatsache, dass sie keinerlei Interesse an dem Burschen mit dem Seil zeigen. Es gibt nichts, was sie als Avot auszeichnet.«
    »Doch, gibt es«, sagt Cord. »Die Art, wie sie gehen.«
    »Wovon redest du? Wir sind alle Zweibeiner! Wir gehen alle gleich!«, protestierte ich. Aber Sammann hatte sich auf seinem Stuhl umgedreht, um grinsend zu Cord aufzuschauen. Er nickte begeistert.
    »Ihr beiden spinnt«, sagte ich.
    »Cord hat recht«, beharrte Sammann.
    »Bei der Apert hätte es nicht deutlicher sein können«, sagte Cord. »Extras stolzieren und latschen einher. Sie gehen, als gehörte ihnen der ganze Ort.« Sie schob sich hinter dem Stuhl hervor und durchmaß in einem lässigen, breitbeinigen Gang den Raum. »Avot – und Ita – sind zurückhaltender.« Sie richtete sich auf und kam mit schnellen Schritten zu uns zurück, ohne einen Luftzug zu verursachen.
    So verrückt es klingt, ich musste zugeben, dass ich während der Apert imstande gewesen war, aus der Ferne Extras von Fraas und Suurs zu unterscheiden, und zwar zum Teil aufgrund der Art, wie sie sich bewegten. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Display zu. »Gut, der Punkt geht an dich«, sagte ich. »Je länger ich sie mir anschaue, desto vertrauter kommt dieser Gang mir vor. Besonders von dem Großen ganz am Schluss. Er hat verblüffende Ähnlichkeit mit …«
    Ein paar Minuten lang bekam ich kein Wort heraus. Alle schauten mich an, um zu sehen, ob mir etwas fehlte. Ich konnte den Blick nicht von diesem Spulo wenden, den ich mir noch weitere vier Mal ansah, und jedes Mal war ich mir sicherer, was – oder wen – ich da sah.
    »Jesry«, sagte ich.
    »Ach du lieber Gott!«, rief Cord aus.
    »Sein Segen und sein Erbarmen seien mit dir«, zischte Ganelial Crade, wie er es immer tat, wenn jemand dieses Wort in einem Fluch benutzte.
    »Das ist ganz bestimmt dein Freund«, sagte Cord.

    »Fraa Jesry ist mit dem Himmelswart im All!«, rief ich, nur um es selbst zu hören.
    »Sie werden sicher einige faszinierende Gespräche führen«, sagte Sammann.
     
    Einige Stunden später, nachdem wir die Fenster zugehängt und zu schlafen versucht hatten, begann ein Brummen und Rumpeln, und es gab einen heftigen Ruck. Gnel und ich zogen die Reißverschlüsse an den Beinen unserer Anzugsäcke auf, rannten hinaus auf den Laufsteg, schauten hinunter und sahen, dass Eiskrusten zu funkelnden Wolken zersprangen, da sie von einer unmerklichen Bewegung der Kettenglieder zerdrückt wurden. Wir hasteten ans Ende des Laufstegs, wo eine Leiter bis fast auf die Höhe des Schnees hinabführte, sprangen von ihr hinunter, ließen das Dreirad an und brausten nach hinten zu dem Tieflader. Explosionsartige Schläge ertönten auf der ganzen Länge des Zuges, als die Lokomotive vorwärts ruckelte und die Ketten sich langsam spannten. Zwei der Auffahrrampen des Tiefladers schleiften auf dem Eis, sodass noch in letzter Minute eine Beladung erfolgen konnte – bis der Zug sich richtig in Bewegung setzte, würde wohl noch eine halbe Stunde vergehen. Eine der Rampen schossen wir hinauf, machten einen Schwenk um einen Tromm, der gerade geschickt in eine enge Parklücke bugsiert wurde, und schlängelten uns zu Gnels Hol durch. Dort fuhren wir das Dreirad über die Bretterrampe hoch und verstauten die Bretter unter dem Hol. Dann verbrachten wir einige Zeit damit, die Kühlflüssigkeit aus allen drei Fahrzeugen abzulassen und zur Aufbewahrung in Polykrüge zu füllen. Als wir damit fertig waren, fuhr der Zug schneller, als wir in Schneeschuhen vorwärts kamen; deshalb gingen wir auf dem System aus Laufstegen, die an den Schlitten entlang führten und sie miteinander verbanden, wieder nach vorne. Cord und Yul hatten die Fensterabdeckungen heruntergezogen, um die Sonne hereinzulassen, und waren gerade dabei, ein großes festliches Frühstück vorzubereiten. Wir waren auf dem Weg zum Nordpol. Darüber war ich froh. Wenn ich aber an Fraa Jesry in

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