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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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– jedes in seinem eigenen Tempo und in seiner jeweiligen Richtung – fortbewegen.«
    »Und ich kann sehen, dass ein menschlicher Beobachter, der die auf einem Bildschirm dargestellten unidentifizierten Flugobjekte betrachtet, in der Lage wäre, im Kopf ein Modell von den jeweiligen Positionen und Bewegungsrichtungen der Luftfahrzeuge zu erstellen«, sagte Orolo, »genau wie wir die Einzelbilder eines Spulos
im Geist zu einer fortlaufenden Geschichte zusammenfügen. Aber wie bringt die syntaktische Vorrichtung innerhalb des Radarsystems das zuwege? Sie hat nicht mehr als eine von Zeit zu Zeit aktualisierte Liste von Zahlen.«
    »Wenn es nur ein unidentifiziertes Flugobjekt gäbe, wäre es einfach«, sagte ich.
    »Stimmt.«
    »Oder nur ein paar, die weit voneinander entfernt sind und sich langsam bewegen, sodass ihre Wege sich nicht kreuzen.«
    »Stimmt auch. Aber wie sieht es mit dem Extremfall aus: viele schnelle Flugobjekte, geringe Entfernung voneinander, sich kreuzende Wege?«
    »Ein menschlicher Beobachter würde das mühelos bewältigen – wie das Anschauen eines Spulos«, sagte ich. »Eine Synvor müsste etwas von dem tun, was ein menschliches Gehirn tut.«
    »Und was genau ist das?«
    »Wir haben ein Gespür für das, was plausibel ist. Sagen wir, es gibt zwei Luftfahrzeuge, die, voll mit Passagieren, knapp unter Schallgeschwindigkeit fliegen, und in der Pause zwischen zwei Radardurchgängen kreuzen sich ihre Wege im rechten Winkel. Das Gerät kann die Flugobjekte nicht auseinanderhalten. Deshalb gibt es ein paar mögliche Interpretationen der Gegebenheiten. Eine besagt, dass beide Luftfahrzeuge im selben Moment scharfe, rechtwinklige Wendungen vollzogen haben und in andere Richtungen weitergeflogen sind. Eine weitere besagt, dass sie wie Gummibälle voneinander abgeprallt sind. Die dritte Interpretation besagt, dass die Luftfahrzeuge sich auf unterschiedlicher Höhe befinden, sodass sie nicht zusammengestoßen sind, und beide einfach weiterhin in einer geraden Linie fliegen. Diese Interpretation ist die einfachste und entspricht als einzige den Gesetzen der Dynamik. Folglich muss die Synvor darauf programmiert werden, die verschiedenen Interpretationen der Gegebenheiten gegeneinander abzuwägen und diejenige auszuwählen, die am plausibelsten ist.«
    »Wir haben dieser kleinen Vorrichtung also ein bisschen von dem beigebracht, was wir über die Aktionsprinzipien wissen, die die Bewegung unseres Kosmos durch den Hemnraum steuern, und ihr befohlen, Möglichkeiten herauszufiltern, die von einer plausiblen Weltspur abweichen«, sagte Orolo.
    »Auf sehr rudimentäre Weise, nehme ich an. Sie weiß im Grunde
nicht, wie Aktionsprinzipien im Hemnraum anzuwenden sind und all das.«
    » Wir denn?«
    »Manche von uns schon.«
    »Theoren, ja. Aber Dards, die miteinander Ball spielen, wissen auch ohne die geringsten Kenntnisse in Theorik, was der Ball tun wird – und, wichtiger noch, was er nicht tun kann .«
    »Natürlich. Das wissen sogar Tiere. Orolo, wohin führt uns die evenedrikische Datonomie? Ich sehe eine gewisse Verbindung zu unserem Dialog über den pinkfarbenen Drachen, vor ein paar Monaten zu Hause, aber …«
    Orolo bekam einen seltsamen Gesichtsausdruck. Er hatte ihn schon vergessen. »Ach ja. Über dich und deine Sorgen.«
    »Ja.«
    »Das ist etwas, was Tiere nicht können«, bemerkte er. »Sie reagieren auf unmittelbare konkrete Bedrohungen, machen sich aber keine Sorgen über abstrakte Bedrohungen, die Jahre in der Zukunft liegen. Dazu bedarf es des Verstands eines Erasmas.«
    Ich lachte. »In letzter Zeit hab ich das nicht mehr so häufig gemacht.«
    »Gut!« Er streckte die Hand aus und gab mir einen liebevollen Klaps auf die Schulter.
    »Vielleicht ist es das Allesgut.«
    »Nein, es ist die Tatsache, dass du dir jetzt über reale Dinge Sorgen machen musst. Aber hilf mir doch bitte mal auf die Sprünge, wie er ging – der Dialog über den rosafarbenen, Nervengas furzenden Drachen.«
    »Wir entwickelten die Theorie, dass unser Verstand in der Lage ist, sich mögliche Zukünfte als Bahnen durch den Konfigurationsraum vorzustellen und dann diejenigen zu verwerfen, die nicht einem realistischen Aktionsprinzip folgen. Jesry beschwerte sich, das sei eine schwergewichtige Lösung für ein leichtgewichtiges Problem. Ich stimmte ihm zu. Arsibalt widersprach.«
    »Das war nach Fraa Paphlagons Evokation, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Arsibalt hatte Paphlagon gelesen.«
    »Ja.«
    »Nun sag mir, Fraa Erasmas, bist

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