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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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du immer noch auf Jesrys Seite oder inzwischen auf Arsibalts?«

    »Mir erscheint es nach wie vor abstrus, zu denken, wir würden in unseren Köpfen ständig kontrafaktische Universen errichten und niederreißen.«
    »Ich habe mich so daran gewöhnt, dass es mir abstrus erscheint, das Gegenteil zu denken«, sagte Orolo. »Aber vielleicht können wir morgen noch einmal eine Wanderung machen und weiter darüber diskutieren.« Wir erreichten gerade die Ausläufer des Maths.
    »Gerne«, sagte ich.
    Als wir schon den Duft des Abendessens aus der Küche riechen konnten, fiel mir wieder ein, dass ich am nächsten Tag meinen Freunden draußen eine Nachricht würde zukommen lassen müssen. Es war jedoch nicht der richtige Moment, um das anzusprechen, und so beschloss ich, es am nächsten Morgen zu erwähnen.
     
    Ich hatte im Sinn, dass es Orolo zu einer Entscheidung zwingen würde, aber kaum hatte ich es ihm erklärt, brachte er ein Argument vor, das auf peinliche Weise sofort einleuchtete: Die Dreitagesfrist war vollkommen willkürlich, und deshalb bestand die einzige vernünftige Herangehensweise darin, sie kommentarlos vom Tisch zu fegen. Er rief Fraa Landasher herbei, der vorschlug, meine Freunde in den Math einzuladen und sie so lange dort wohnen zu lassen, bis die Dinge in Ordnung gebracht waren. Das war ein Schock, bis ich mich darauf besann, dass die Dinge hier anders gehandhabt wurden und dass Landasher niemandem verpflichtet war, außer womöglich dem Dotat, dem Ekba gehörte. Dann war ich sicher, dass meine vier Freunde kein Interesse daran haben würden, sich an einem Ort wie diesem aufzuhalten. Doch ein paar Stunden später, als ich zum Tor hinaus und hinunter zu dem Andenkenstand gegangen war und ihnen die Angelegenheit erklärt hatte, akzeptierten sie die Einladung einstimmig und ohne weitere Diskussion. Das an sich machte mich etwas nervös, deshalb begleitete ich sie in die Bucht zurück, half ihnen, das Lager abzubrechen, und nutzte den Nachmittag, um ihnen ohne Punkt und Komma einen Vortrag über mathische Benimmregeln zu halten. Besondere Sorgen machte mir, dass Ganelial Crade zu ihnen predigen könnte. Doch bald begannen sie, erst Yul, dann rasch auch die anderen, mich aufzuziehen, weil ich darüber so besorgt war, und mir wurde klar, dass ich sie beleidigt hatte. Deshalb sagte ich nichts mehr, bis wir nach Orithena kamen. Cord, Yul, Gnel und Sammann wurden durch das Tor hereingelassen und
bekamen Räume in einer Art Gästehaus abseits des Klostrums, wo sie Nicknacks und andere säkulare Gegenstände bei sich behalten durften. In ihrer extramurischen Kleidung – allerdings ohne Nicknacks – gesellten sie sich zum Abendessen zu uns und wurden von Fraa Landasher offiziell mit einem Toast willkommen geheißen.
    Am nächsten Morgen scheuchte ich sie früh aus dem Bett und führte sie zu einer Besichtigung in die Grabungsstätte. Gnel sah aus, als hätte er so etwas wie eine deolatistische Offenbarung, obwohl ich der Fairness halber sagen muss, dass ich vermutlich einen ähnlichen Gesichtsausdruck gehabt hatte, als Suur Spry mich da hinuntergeführt hatte.
    Ich fragte Sammann, ob er noch etwas Neues darüber in Erfahrung gebracht hätte, wer Ekba leitete, worauf er »Ja« sagte und: »Es ist uninteressant.« Unmittelbar nach der Dritten Verheerung war irgendein Burgher zu einem Enthusiasten für alles Orithenische geworden. Er war sehr reich, und so hatte er die Insel gekauft und, um sie betreiben zu können, die Stiftung gegründet, komplett mit der langweiligen Satzung, die sich auf tausend Seiten belief – sie war dazu gedacht, ewig anzudauern, und so musste die Satzung jede Eventualität abdecken, die ihnen einfiel. Die Exekutive lag in der Hand eines gemischten säkular/mathischen Direktoriums, erklärte Sammann, der sich allmählich für die Aufgabe erwärmte, während meine Aufmerksamkeit abzuschweifen begann …
    So lenkte mich die Unterbringung meiner Freunde in Orithena für zwei Tage ab. Danach ging ich wieder mit Orolo auf den Berg.
    Dialog: Ein normalerweise in förmlichem Stil geführter Diskurs zwischen Theoren. »Im Dialog sein« heißt, aus dem Stegreif an einer solchen Diskussion teilzunehmen. Der Begriff kann sich auch auf die schriftliche Aufzeichnung eines historischen Dialogs beziehen; solche Dokumente sind der Grundstein der mathischen Literaturtradition und werden von Fids studiert, nachgestellt und auswendig gelernt. In der klassischen Form gehören zu einem Dialog zwei

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