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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ausdruck der Verblüffung im Gesicht kamen die Avot dem Befehl nach. Ein Soldat ging auf der Suche nach Bummlern um den Hol herum. Er sah den toten Körper, fuhr zusammen, nahm das Gewehr ab – was die Aufmerksamkeit seiner Truppkameraden anzog -, entspannte sich dann und hängte sich die Waffe wieder über die Schulter. Langsam ging er auf den Hol zu. Etwas an seiner Körperhaltung verriet mir, dass er über Funk mit seinen Kameraden kommunizierte. Ich kam nah genug heran, um den Truppführer zu Suur Maltha – offensichtlich die Ärztin, da sie ganz mit Blut verschmiert war – sagen zu hören: »Habt ihr ein Opfer?«
    »Ja.«
    »Braucht ihr …«
    »Sie ist tot«, sagte Maltha, »wir brauchen keinen Sani.« Sie sprach freiheraus, ein wenig sarkastisch, ebenso erstaunt, wie ich es gewesen war, dass die Soldaten nicht Bescheid wussten . Hätten sie uns nur gefragt, wir hätten es ihnen gesagt; wir hätten es nicht geschafft, den Mund zu halten. Aber sie hatten nicht gefragt. Sie kümmerten sich nicht um unser Wissen, unsere Meinungen. Und so reagierten wir alle – sämtliche Avot – auf die gleiche Weise darauf: zum Teufel mit ihnen!
    Die Soldaten begannen Halsbänder von ihren Patronengurten zu nehmen und sie Maltha und ihren Assistentinnen um den Hals zu legen. Doch als sie ihre Aufgabe zur Hälfte erledigt hatten, hörten sie alle auf. Mehrere von ihnen hoben Handschuhe an die Helme. Ich drehte mich um und sah, dass alle Soldaten auf dem Platz und um die Sonde herum sich genauso benahmen. Ich nahm an, dass das Spiel jetzt aus war. Irgendein General in einem Büro tausend Meilen von uns entfernt, wo er Zugang zu zivilen Übertragungen hatte, schrie in ein Mikrophon, dass auf der Ladefläche eines Hols ein toter Außerarbrischer liege. Vermutlich würden sich jeden Moment alle Köpfe in unsere Richtung drehen, alle Soldaten würden hier zusammenkommen.
    Doch das taten sie nicht. Stattdessen blickten sie alle an den Himmel.
    Irgendetwas kam heran.
    Die über uns schwebenden Luftfahrzeuge hatten die Nachricht
auch erhalten: Ihre Motoren nahmen eine andere Tonlage an, und ihre Lichter bewegten sich, als sie auf einen neuen Steuerkurs wendeten, in Schräglage gingen, sich seitwärts davonschlichen und dabei an Höhe gewannen.
    Die Soldaten an dem Hol hatten sich einander zugewandt, schauten aber weiter himmelwärts.
    »He!«, sagte ich. »He! Schaut mich an! « Am Ende brachte ich ihren Anführer dazu, sein Visier in meine Richtung zu schwenken. »Sprich mit uns!«, rief ich. »Wir können nichts hören! Wir wissen nicht, was hier vor sich geht!«
    »… murmel murmel murmel EVAKUIEREN!«, sagte er.
    Das brauchte man Ganelial Crade nicht zwei Mal zu sagen. Er schwang sich hoch ins Führerhäuschen des Hols und ließ den Motor an. Suur Maltha und eine ihrer Assistentinnen stiegen zu dem »Opfer« auf die Ladefläche. Ich fasste den Entschluss, erst noch einmal zu der Sonde zurückzukehren, einfach um mich zu vergewissern, dass meine Freunde diese Botschaft auch erhalten hatten – und um Orolo anzutreiben, falls er beschloss, Schwierigkeiten zu machen. Rund um den Platz fuchtelten Soldaten mit den Armen und trieben Avot in Richtung Rampe. Gnels Hol steuerte langsamer als in Schrittgeschwindigkeit darauf zu und hielt immer wieder an, um noch langsamer vorankommende Avot aufzusammeln. Yuls Fahrzeug hatte begonnen, es ihm gleichzutun, und ich war beruhigt darüber, Cord auf dem Beifahrersitz zu sehen. Die Rampe war jedoch bereits mit Fußgängern verstopft, sodass die Fahrzeuge nicht schneller fahren würden, als die Langsamsten gehen konnten.
    Oder je nach Sachlage auch rennen. »BEWEGUNG! BEWEGUNG!«, rief jemand. Ein Offizier hatte sich den Helm vom Kopf gezogen – Infektion durch Außerarbrische hin oder her – und angefangen, in ein Megaphon zu rufen: »Wenn ihr rennen könnt, rennt! Wenn nicht, geht auf die Pritschenwagen!«
    Am Ende war ich ein Nachzügler, zusammen mit Sammann und Orolo. Wir liefen auf die Rampe zu. Ich schaute Sammann fragend an. Er zuckte die Achseln. »Gleich bei ihrer Ankunft haben sie das Ret gestört«, sagte er, »und in ihre Übertragungen komme ich nicht rein.«
    Also sah ich Orolo an, der beim Laufen den westlichen Himmel im Auge behielt. »Glaubst du, dass etwas anderes kommt?«, fragte ich.

    »Seit die Sonde gestartet wurde, ist ungefähr eine Umlaufzeit verstrichen«, gab Orolo zu bedenken. »Wenn die Geometer also bei der nächsten Gelegenheit etwas auf uns fallen lassen

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