Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
ist gleichsam ein perfektes Laborexperiment, mit dem sich die Philosophie von Saunt Prok demonstrieren und erforschen lässt: nämlich, vereinfacht gesagt, dass Sprache, Kommunikation, ja das Denken selbst in der Handhabung von Symbolen besteht, denen durch Kultur – und nur durch Kultur – Bedeutung zugewiesen wird. Ich kann nur hoffen, dass sie nicht so viele von unseren Spulos gesehen haben, dass ihr Verstand kontaminiert und das Experiment ruiniert worden ist.«
    »Und inwiefern hat das mit unserem Thema zu tun?«, stachelte Suur Asquin ihn an.
    »Das weiß sie sehr wohl«, versicherte uns Suur Tris, »sie sorgt nur dafür, dass es auch Ignetha Foral deutlich gemacht wird.«
    »Pluralität von Welten bedeutet Pluralität von Weltkulturen – bis jetzt hermetisch gegeneinander abgeschotteten Kulturen -, die daher, vorläufig, nicht miteinander kommunizieren können.«
    »Laut den Prokiern!«, warf jemand ein. Da ich die Stimme mit dem merkwürdigen Akzent nicht erkannte, dachte ich, dass es sich um den Matarrhiten handeln könnte.
    »Zweck dieses Messale ist demzufolge, eine Strategie zu entwickeln – und wie ich hoffen möchte, auch umzusetzen -, mit der die säkulare Welt mithilfe der Avot die Pluralität überwinden kann – was dasselbe ist, wie eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Wir werden uns überflüssig machen, indem wir die Pluralität der Welten zu einer Welt machen.«
    »Er hasst dieses Messale«, übersetzte ich, »also versucht er, Ignetha Foral dazu zu bringen, dass sie es in etwas anderes verwandelt:
Und das wäre dann ganz zufällig eine Machtbasis für die Prokier.«
    Suur Karvall mochte es gar nicht, wenn wir über die Doyns redeten, aber daran würde sie sich gewöhnen müssen. Wir standen alle herum und verteilten das Grünzeug auf ein halbes Dutzend Salatteller. Nur sechs, weil Matarrhiten offenbar keinen Salat aßen.
    Während der Zubereitung des Essens hatten einige von uns Servitoren ausgiebig darüber diskutiert, warum ein Matarrhit eingeladen worden war. Eine Theorie besagte schlicht, dass die Säkulare Macht, weil sie religiös war, einen Deolatisten dabeihaben wollte. Die Matarrhiten würden, so jedenfalls dieses Argument, innerhalb der Konvox einen Einfluss ausüben, der in keinem Verhältnis zu ihrer Bedeutung in der mathischen Welt stand, weil den Zampanos mit ihnen einfach wohler sei. Die andere Theorie ging mehr in Richtung der Vorstellung, die Ignetha Foral gerade geäußert hatte: dass dieses Messale ein Abstellgleis war.
    Vom Lautsprecher übertragene, klirrende Geräusche verrieten uns, dass die Servitoren, die sich noch im Messallan aufhielten, die Suppenteller einsammelten. Das führte zu einer Unterbrechung im Dialog. Aber wir konnten die Stimme einer älteren Frau hören, die sich, während die Servitoren arbeiteten, in informellerem Ton zu Wort meldete: »Ich glaube, ich kann dir deine Ängste nehmen, Fraa Lodoghir.«
    »Das ist sehr freundlich von dir, Großsuur Moyra, aber ich kann mich nicht entsinnen, irgendwelche Ängste geäußert zu haben!«, sagte Fraa Lodoghir, der sich vergeblich bemühte, jovial zu klingen.
    Moyra war Karvalls Doyn, weshalb wir aus Respekt für Karvall tatsächlich einen Moment lang den Mund hielten.
    Moyra erwiderte: »Ich glaube, du hast der Sorge Ausdruck verliehen, die Geometer hätten ihre Kultur dadurch kontaminiert, dass sie zu viele von unseren Spulos gesehen haben.«
    »Du hast natürlich recht! Das hat man davon, wenn man einer Loritin widerspricht!«, sagte Fraa Lodoghir.
    Die Tür ging auf, und herein kam Barb mit sieben aufeinandergestapelten Suppentellern auf den Armen.
    »Ich finde, du müsstest meine Bezeichnung ändern«, sagte Moyra behutsam, »und mich jetzt Metaloritin oder, zu Ehren dieses Anlasses, Pluralität-der-Welten-Loritin nennen.«
    Das rief – sowohl im Messallan als auch in der Küche – allseitiges
Gemurmel hervor. Suur Karvall war zum Lautsprecher hinübergewandert, wo sie nun ganz gebannt stand. Arsibalt hatte irgendetwas klein gehackt: Er hörte auf, und sein Messer schwebte über dem Schneidebrett.
    »Wir Loriten gehen ständig anderen Leuten auf die Nerven«, sagte Moyra, »indem wir darauf hinweisen, dass diese oder jene Idee bereits vor langer, langer Zeit von irgendjemandem hervorgebracht worden sei. Aber nun glaube ich wahrhaftig, wir müssen unseren Horizont um die Pluralität der Welten erweitern und sagen: ›Es tut mir furchtbar leid, Fraa Lodoghir, aber deine Idee ist in Wirklichkeit schon

Weitere Kostenlose Bücher