Anathem: Roman
Netzgewebeknäueln und farbkodierten Nutzlasten schmiegte. »Da bist du.« Mein Name leuchtete gelb auf. »Und da musst du hin.« Auf der anderen Seite des Durcheinanders begann eine Nutzlast zu blinken. »Wir haben die effektivste Route ausgearbeitet.« Durch das Bild schlängelte sich eine Linie, die meinen Namen mit dem Ziel verband.
»Sehr effektiv sieht das aber nicht aus«, begann ich.
Sie schnitt mir das Wort ab. »Es gibt Sachen, die du nicht weißt. Jeder von den anderen in deiner Zelle muss einer anderen Route zu einer anderen Nutzlast folgen. Das Ganze ist so optimiert, dass ihr euch möglichst wenig in die Quere kommt.«
»Ich nehme alles zurück.«
Etwa in der Mitte meiner Route erschien ein blinkendes rotes Kästchen. »Was ist das rote Ding da?«, fragte ich.
Sie besprach sich mit jemandem im Geräteschuppen und antwortete dann: »Eine der Nutzlasten hat eine scharfe Kante, der du aus dem Weg gehen solltest. Keine Sorge, wir bugsieren dich daran vorbei.«
»Tausend Dank.«
Unter Papiergeraschel verkündete sie: »Ich werde dir jetzt Schritt für Schritt erklären, wie du dich aus dem S2-35B löst.«
»Hier oben nennen wir das ein Mannjifiek.«
»Wie auch immer. Bewege die rechte Hand zu der Schließe oberhalb deines linken Schlüsselbeins …«
Was wir als Nächstes taten, schildere ich so, als hätten wir es einfach getan. In Wirklichkeit jedoch war es – wie der alte Witz lautet – eine ganze Stunde Arbeit, hineingezwängt in einen einzigen 24-Stunden-Arbeitstag.
Allerdings hätte es ohne unsere Unterstützungszellen am Boden,
die den Überblick darüber behielten, was wir taten, und sich Methoden einfielen ließen, es uns zu erleichtern, vierundzwanzig Tage gedauert. Während der Ruhepausen – die von unseren Privatärzten rigoros durchgesetzt wurden – erfuhr ich, dass sich Arsibalts Unterstützungszelle im leergepumpten Schwimmbecken einer kelxischen Gemeindesuvin und die von Lio auf einem nicht gekennzeichneten Tromm befand, der auf dem Gelände einer Wartungshalle geparkt war. Und wie sich allmählich herausstellte, wurde jede dieser Zellen ihrerseits von Netzwerken anderer Zellen draußen im Antischwarm unterstützt.
Die Arbeit begann mit dem Entwirren und Sortieren der Güter, die wir in den ersten fieberhaften zwanzig Minuten eingeholt hatten. Suur Vay kümmerte sich um Jules Verne Durand und Fraa Jad. Beiden ging es schließlich wieder gut. Der Laterraner war vom Nahrungsmangel geschwächt und hatte stärker unter dem Flug in den Raum gelitten. Er brauchte schlicht und einfach länger, um wieder der Alte zu werden. Was Fraa Jad zugestoßen war, wurde nicht recht klar. Er reagierte eine Zeitlang nicht, obwohl seine Vitalfunktionen in akzeptablen Bereichen lagen und seine Augen offen waren. Irgendwann bat er Suur Vay, ihn in Ruhe zu lassen. Dann koppelte er sich vom Retikel ab und tat eine Stunde lang gar nichts. Schließlich begann er sich zu regen und am Auspacken zu beteiligen. Ich fragte mich, wer wohl seiner Unterstützungszelle angehörte.
Die Netzgewebe wurden abgenommen, zusammengeknüllt und aus dem Weg geschafft. Die Nutzlasten wurden mit Polyband aneinander befestigt, damit sie nicht hinter der Deckung des Ballons hervortrieben und unsere Position verrieten. Diese Nutzlastentraube verbanden wir mit einem Mannjifiek, dessen Feinsteuerraketen wir dazu benutzten, Position zu halten. Angesichts der geringen Masse und des hohen Strömungswiderstandes des Ballons würden wir zwangsläufig hinter seiner Deckung hervortreiben, sofern wir nicht ab und zu die Feinsteuerraketen betätigten, um uns abzubremsen. Wenn wir das länger als ein paar Tage täten, würden wir zusammen mit dem Ballon wieder in die Atmosphäre eintreten, und es käme zu einer Art Rennen, in dem entschieden würde, ob wir zuerst verglühen oder durch das massive Abbremsmanöver ums Leben kommen würden. Aber wir hatten nicht die Absicht, so lange zu warten.
Arsibalt, Osa und ich bauten die Attrappe zusammen, während
der Rest von Zelle 317 den Kalten Schwarzen Spiegel zusammenbaute.
Die Attrappe wurde auf einer Basis errichtet, die aus sieben in hexagonaler Anordnung miteinander verbundenen Mannjifieks bestand. Wie Suur Esma es zuvor mit Wasser gemacht hatte, holten wir uns Treibstoff aus den blauen Nutzlasten und füllten ihn in die Tanks der Attrappe.
Damit war für den Antrieb gesorgt. Auf dieser Plattform befestigten wir etwas, was wie ein großes, unförmiges Stoffbündel aussah – es
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