Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson

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handelte sich um ein aufblasbares Gebilde -, das als getrennte Nutzlast mit heraufgekommen war. Es hatte seitlich einen Reißverschluss. Wir öffneten ihn und stopften alles hinein, was wir nicht mehr brauchten: Netze, übrig gebliebenes Verpackungsmaterial, Teile anderer Mannjifieks. Außerdem gab es vier Gliederpuppen in Overalls. Wir zogen den Reißverschluss zu, damit der ganze Kram nicht heraustrieb, und öffneten ihn von Zeit zu Zeit wieder, wenn Mitglieder des anderen Teams mit Sachen ankamen, die sie loswerden wollten. Aber wir bliesen das Ding noch nicht auf, weil der Platz auf dieser Seite des Ballons knapp war und immer knapper wurde, während der Kalte Schwarze Spiegel Gestalt annahm.
    Meine Beschreibung des Kalten Schwarzen Spiegels könnte den Eindruck erwecken, er sei schwer, aber wie alles andere hier oben wog er praktisch nichts, weil er aus aufblasbaren Streben, Memorydraht, Membranen und Aerogelen bestand. Er war quadratisch, mit einer Kantenlänge von fünfzig Fuß. Seine Oberfläche war vollkommen glatt (es handelte sich um eine Membran, die wie ein Trommelfell zwischen Messerschneiden gespannt war) und vollkommen spiegelnd. Sie bestand aus einem Material, das nicht nur sichtbares Licht, sondern auch Mikrowellen reflektieren würde – die Frequenzen, die die Geometer als Radar benutzten. Wenn wir uns hinter dem Ballon hervorwagten, würden wir den Spiegel zwischen uns und der Daban Urnud halten, allerdings schräg, wie ein Schuppendach, sodass ihre Radarstrahlen, wenn sie unsere unmittelbare Umgebung bestrichen, in eine andere Richtung abgelenkt werden würden. Wir würden zwar immer noch ein großes Echo erzeugen, aber es würde niemals in die Nähe der Daban Urnud gelangen und demzufolge nicht auf ihren Schirmen zu sehen sein.
    Solange wir darauf achteten, in welche Richtung der Spiegel zeigte, würden wir vor dem Hintergrund des Weltraums nicht zu sehen
sein, weil der Spiegel einen anderen Teil des Raums reflektieren würde und aller Raum mehr oder weniger gleich aussah: schwarz. Falls sie uns zufällig mit einem richtig guten Teleskop heranholten, würden sie vielleicht ein, zwei Sterne an der falschen Stelle sehen, aber das war unwahrscheinlich.
    Wenn wir zwischen der Daban Urnud und der leuchtenden Oberfläche von Arbre durchkamen, lag der Fall anders, aber wir hofften, dass ein fünfzig mal fünfzig Fuß großer Fleck absoluter Schwärze vor einem Hintergrund von achttausend Meilen Durchmesser vielleicht unbemerkt bleiben würde. Es wäre wie eine einzelne Bakterie auf einem Teller voller Essen.
    Würde man den Spiegel warm werden lassen, würde er infrarotes Licht aussenden, das die Geometer vielleicht bemerken könnten, und so hatte sich die Genialität seiner Konstruktion größtenteils darauf konzentriert, ihn kühl zu halten. Er war mit Festkörperkühlern ausgestattet, die ihre Energie von dem Reaktor bezogen. Dieser produzierte, wie von Jesry erwähnt, eine Menge Abwärme. Auf einem Infrarotradar würde sie wie ein Kasino leuchten, wenn wir so dumm wären, sie auf die Daban Urnud zu richten, aber solange wir die Radiatoren unter dem Kalten Schwarzen Spiegel versteckt hielten und sie in Richtung Arbre zeigten, würden die Geometer keine Sichtverbindung haben, die es ihnen ermöglichen würde, uns zu sehen.
    Unser Antrieb bestand, um uns in Fahrt zu bringen, aus drei geplünderten Mannjifieks und (für später) aus einer Rolle Bindfaden. Unsere Raumanzüge würden als Quartier, Bett, Toilette, Refektorium, Apotheke und Unterhaltungszentrum dienen.
    Nicht aber als Klostrum. Die Raumfahrt hatte jede Menge interessante Aspekte, doch stille Einkehr gehörte nicht dazu. Das Schlimmste an dem Kulturschock während der Apert und später, als man uns evoziert hatte, waren die Nicknacks gewesen. Es war gar nicht abzuschätzen, wie oft ich zu mir selbst gesagt hatte: Kartas sei Dank, dass ich nicht an eines dieser grässlichen Dinger gekettet bin! Aber das hier war so, als lebte man in einem Nicknack: einem Super-Ultra-Meganicknack, dessen Schirm sich komplett um mein Blickfeld wölbte, dessen Lautsprecher in meinen Ohren steckten, dessen Mikrophon jedes Wort, jeden Atemzug und jeden Seufzer an aufmerksame Ohren am anderen Ende der Verbindung übermittelte. Einen Teil hatte ich sogar in mir: diesen riesigen Temperaturtransponder.

    Wir durften immer nur zwei Stunden am Stück arbeiten, ehe wir eine obligatorische Ruhepause einlegen mussten. Und irgendwann während der zweiten oder dritten