Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Hieben und Stößen auf rationale Weise evaluieren zu lassen, und deshalb musste es sich so verhalten, dass Schwertkämpfer, die mehr als ein oder zwei solcher Gefechte überlebten, etwas anderes taten. Die Avot des Klingenthals hatten das Studium und die Kultivierung dieses Anderen zu ihrer einzigen Beschäftigung gemacht. Jules Verne Durand begriff unschwer. »Bei komplexen Brettspielen funktioniert die Analogie genauso gut. Wir haben auf Laterre einige, die euren hier insofern ähneln, als der Baum möglicher Züge und Gegenzüge rasch viel zu groß wird, als dass das Gehirn sämtliche Möglichkeiten durchgehen könnte. Ordinatoren – das, was ihr Syntaktische Vorrichtungen nennen würdet – können das Spiel auf diese Weise spielen, aber erfolgreiche menschliche
Spieler scheinen sich einer grundsätzlich anderen Methode zu bedienen, die sich darauf stützt, das ganze Brett zu sehen, bestimmte Muster zu erkennen und bestimmte Faustregeln anzuwenden.«
    »Das Teglon«, warf Fraa Jad ein. Und er brauchte das nicht weiter zu erläutern. Wir alle hatten gesehen, welche Leistung er in Elkhazg vollbracht hatte, und für uns alle lag auf der Hand, dass er das weder mittels Versuch und Irrtum noch durch Anlegen von einem einzigen Ausgangspunkt aus hätte schaffen können. Er hatte das ganze Muster auf einmal erfassen müssen.
    »Das ist gefährlich«, sagte Jesry rundheraus. »Es läuft auf die Aussage hinaus, dass wir den Rechen aufgeben und uns wie ein Haufen Enthusiasten verhalten können, und alles wird wunderbar klappen, weil wir zu holistischer Einheit mit dem Polykosmos gelangt sind.«
    »Was du sagst, ist in der Tat ein Problem«, sagte Jules, »aber niemand hier würde zu behaupten wagen, dass es möglich ist, einen Schwertkampf dadurch zu gewinnen oder das Teglon dadurch zu lösen, dass man sich so gehen lässt.«
    »Jesry bringt ein Strohmann-Argument an«, sagte Arsibalt. »Er wirft eine mögliche künftige Frage auf. Wenn wir uns darauf einigen, nach diesen Grundsätzen zu verfahren, und irgendwann einen Punkt erreichen, an dem eine schwierige Entscheidung getroffen werden muss, auf welcher Grundlage beurteilen wir dann mögliche Entscheidungen, wenn wir die rationale Analyse bereits in den Wind geschlagen haben?«
    »Die Fähigkeit, in solchen Momenten richtig zu entscheiden, muss über viele Jahre disziplinierter Übung und Kontemplation kultiviert werden«, sagte Fraa Osa. »Kein Mensch würde behaupten, dass ein Neuling das Teglon einfach dadurch lösen könnte, dass er seinen Gefühlen vertraut. Fraa Jad hat die Fähigkeit dazu über viele Jahrzehnte entwickelt.«
    »Jahrhunderte«, verbesserte ich ihn, da ich mittlerweile keinen Nutzen mehr darin sah, in diesem Punkt zurückhaltend zu sein. Ich hörte über das Retikel ein paar erstaunte Ausrufe, aber niemand brachte etwas für oder gegen die Aussage vor.
    Nicht einmal Fraa Jad. Er sagte allerdings Folgendes: »Wer mögliche Ergebnisse diszipliniert durchdenkt, baut, indem er das tut, Verbindungen zu anderen Kosmen auf, in denen diese Ergebnisse mehr als bloße Möglichkeiten sind. Ein solches Bewusstsein unterscheidet sich quantitativ messbar von einem, das diese Arbeit nicht
unternommen hat, und ist daher – jawohl – imstande, richtige Entscheidungen im Falle einer Emergenz zu treffen, bei der ein unausgebildeter Verstand von geringem Nutzen wäre.«
    »Schön«, sagte Jesry, »aber wohin bringt uns das? Was sollen wir tun?«
    »Ich glaube, es hat uns schon weitergebracht«, sagte ich. »Als wir beide uns vor ein paar Minuten wieder diesem Dialog angeschlossen haben, gingen die Wogen hoch, und alle haben noch versucht, die Entscheidung nach Maßgabe bestehender Loyalitäten und Verpflichtungen zu formulieren. Fraa Osa hat gezeigt, dass jede solche Methode fehlschlagen wird, weil wir alle mehreren Gruppen mit widerstreitenden Loyalitäten angehören. Das hat die Emotionen aus dem Gespräch herausgenommen. Außerdem haben wir ein Argument entwickelt, demzufolge es nicht möglich ist, alle Züge im Voraus zu berechnen. Sich jedoch auf naive Emotionen zu verlassen schlägt, wie du selbst hervorgehoben hast, zwangsläufig fehl.«
    »Also müssen wir dieselbe Art von Entscheidungsfähigkeit entwickeln, auf die Fraa Jad zurückgreift, wenn er das Teglon löst«, sagte Jesry, »aber das erfordert Zeit und Wissen. Wir haben keine Zeit, und viel Wissen haben wir auch nicht.«
    »Wir haben noch zwei Tage«, sagte Lio.
    »Und es gibt viel Wissen, auf das wir

Weitere Kostenlose Bücher