Anathem: Roman

schließen können«, sagte Arsibalt.
    »Zum Beispiel?«, fragte Jesry in skeptischem Ton.
    »Dass die Allestöter in dieser Ausrüstung untergebracht sein könnten. Dass unser Ziel darin bestehen könnte, sie zur Daban Urnud zu befördern«, sagte Arsibalt.
    »Der größte Teil dieser Ausrüstung wird gar nicht bis zur Daban Urnud gelangen«, hob Lio hervor. Er fügte vollkommen unbewegt hinzu: »Diejenigen von euch, die den Manöverplan für das abschließende Rendezvous durchgegangen sind, werden das wissen.«
    »Nur wir und unsere Anzüge«, sagte Jesry. »Das ist alles, was zu dem Schiff gelangen wird – wenn wir Glück haben. Und sie – diejenigen, die das Ganze geplant haben – können nicht voraussehen, was mit unseren Anzügen geschieht. Wenn uns der Sockel nun gefangen nimmt? Vielleicht entsorgt man unsere Anzüge im Raum, oder man demontiert sie.«
    »Allmählich wird klar, worauf du hinauswillst«, sagte Fraa Osa, »aber es ist wichtig, dass du es auch aussprichst.«

    »Schön. Wir sind die Waffen. Die Allestöter sind in unserem Körper untergebracht worden. Wir alle wissen, wie das geschehen ist.«
    »Die Riesenpillen«, sagte Jules.
    »Genau: die Kerntemperaturtransponder, die wir vor dem Start geschluckt haben«, sagte Jesry. »Hat jemand seinen schon ausgeschieden?«
    »Wenn ich es mir recht überlege«, sagte Arsibalt, »scheint er sich in meinen Eingeweiden häuslich eingerichtet zu haben.«
    »Da hast du’s«, sagte Jesry. »Bis diese Dinger chirurgisch entfernt werden, sind wir alle lebendige, wandelnde Atomwaffen.«
    »Alle«, sagte Suur Vay, »mit Ausnahme von Fraa Jad und Jules Verne Durand.«
    Das verblüffte uns alle, weshalb sie sich näher erklärte: »Ich glaube, man wird feststellen, dass ihre Kerntemperaturtransponder irgendwo lose in ihren Raumanzügen herumklappern.«
    »Ich habe meinen erbrochen«, erklärte Jules.
    »Ich habe es abgelehnt, meinen zu schlucken«, sagte Jad.
    »Und als Zellenärztin hast du das gewusst, Suur Vay, weil ihre Kerntemperaturwerte offensichtlich falsch waren?«, fragte Lio.
    »Ja. Und die falschen Werte haben dazu geführt, dass ihre Anzüge auf unangemessene Weise reagiert haben, und das ist der Grund, warum beide nach dem Start medizinische Hilfe brauchten.«
    »Warum hast du deine Pille nicht geschluckt, Fraa Jad?«, fragte Arsibalt. »Hast du gewusst, worum es sich handelt?«
    »Ich habe es für klüger gehalten, es nicht zu tun«, war alles, was Fraa Jad als Antwort zu liefern bereit war.
    »Diese Idee – dass man uns alle in Nuklearwaffen verwandelt hat – ist eine erstaunliche Theorie«, sagte ich, »aber ich glaube einfach nicht, dass Ala jemals so etwas tun würde.«
    »Ich vermute, sie hat es nicht gewusst«, sagte Lio. »Man hat es wohl ohne ihr Wissen in den Plan aufgenommen.«
    Fraa Osa sagte: »Wenn ich der verantwortliche Stratege wäre, würde ich zu Ala gehen und sagen: ›Bitte stell das Team zusammen, dem du es am ehesten zutraust, an Bord der Daban Urnud zu gelangen. ‹ Und ihre Antwort würde lauten: ›Ich werde es so machen, dass ich mich mit denjenigen unter den Geometern anfreunde, die in Opposition zum Sockel stehen; sie werden unsere Leute aufnehmen und ihnen Hilfe anbieten.‹«
    »Das ist ungeheuerlich«, sagte ich.

    »Ungeheuerlich: wahrscheinlich auch ein Auslösewort«, sinnierte Jesry. Am liebsten hätte ich ihm eine geknallt. Aber es sprach vieles dafür, dass er recht hatte.
     
    Zwei Tage später schälten wir uns aus unseren weißen Overalls und zogen die einziehbaren Schirme herab, um die Lämpchen und Anzeigen auf der Vorderseite unserer Anzüge zu verdecken. Jetzt waren wir alle mattschwarz. Wie Bergsteiger verbanden wir uns durch eine geflochtene Leine miteinander, die gleichzeitig als Sicherheitsseil und Kommunikationskabel diente. Jad, Jesry und ich hatten einen Großteil der letzten Schicht damit verbracht, mit dem Sextanten zu arbeiten und Berechnungen anzustellen. Diese kulminierten darin, dass Fraa Jad mit einem Messer in einer Hand an der Unterseite des Reaktors hing, am Halteseil entlangvisierte, als handelte es sich um einen Gewehrlauf, und die Konstellationen dahinter im Auge behielt. In dem Augenblick, in dem ein bestimmter Stern in eine Linie mit dem Halteseil trat, durchschnitt er es mit dem Messer. Das Halteseil und das Gegengewicht an seinem Ende flogen in den Raum davon – genau wie wir, die wir eine letzte Bewegungskorrektur mitnahmen, die, so hofften wir, unsere Umlaufbahn mit derjenigen