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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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keinen Hunger mehr.
    Alle anderen hatten ähnliche Gedanken, weshalb das Gespräch nicht gerade vor Lebhaftigkeit sprühte. Tatsächlich fand gar keines statt. Das Schweigen wurde auffällig. Ich fragte mich, was wohl ein blinder Besucher von diesem Ort halten würde, denn die Geräuschumgebung war überaus merkwürdig. In den Kugeln herrschte keine große Luftbewegung. Jede wurde nach einem anderen Tagesplan erwärmt und gekühlt, sodass die sich ausdehnende und zusammenziehende Luft durch die Portale hin- und herschwappte und unten leichte Brisen erzeugte. Aber es blies nie so kräftig, dass Wellen entstanden oder auch nur ein Blatt von einem Tisch geweht wurde. In dieser stillen Luft trugen Geräusche weit und wurden auf seltsame Weise von der Decke der Kugel zurückgeworfen. Wir hörten jemanden
eine schwierige Passage auf einem Streichinstrument üben, Kinder streiten, eine Gruppe Frauen lachen, ein Druckluftwerkzeug laufen. Die Luft kam einem schwül, der Ort beengt, abstumpfend, erstickend vor. Vielleicht machte mir aber auch nur das Essen zu schaffen.
    »Kugel vier ist urnudisch«, sagte Lio schließlich und weckte uns damit alle auf.
    »Ja«, sagte Jules sehr betont, »und ihr werdet alle dort sein.« Ich meine es nicht persönlich, aber ich möchte euch lebendige Bomben so schnell wie möglich aus meiner Kugel heraushaben.
    »Von den urnudischen Kugeln ist das die mit der höchsten Bevölkerungszahl«, bemerkte Arsibalt, »das heißt – wenn ich die Konvention richtig verstehe – die am weitesten hinten gelegene, die am ehesten als Wohngegend dienende, die, äh …«
    »In der Hierarchie am niedrigsten stehende, ja«, sagte Jules. »Die ältesten, die wichtigsten Leute, die Ranghöchsten, die sind alle in Kugel eins.« Das ist die, die man vorzugsweise verstrahlen würde.
    »Werden wir Kugel eins besuchen?«, fragte Lio. Werden wir eine Gelegenheit bekommen, sie zu verstrahlen?
    »Das würde mich wundern«, sagte Jules, »die Leute dort sind sehr merkwürdig und kommen kaum je heraus.«
    Wir alle sahen einander an.
    »Ja«, sagte Jules, »sie sind ein bisschen wie eure Tausender.«
    »Das passt«, sagte Arsibalt, »immerhin dauert ihre Reise schon tausend Jahre.«
    »Dann ist es umso bedauerlicher, dass Fraa Jad schon beim Start ums Leben gekommen ist«, sagte ich, »denn es hört sich ganz so an, als wäre Kugel eins der Ort, an der er sich schnurstracks verfügt hätte – das heißt, in einem Narrativ, in dem er es mit jemandem wie mir als Türöffner bis hierher geschafft hätte.«
    »Was meinst du, was er bei seiner Ankunft dort getan hätte?«, fragte Jesry mit deutlichem Interesse.
    »Kommt drauf an, wie man uns empfangen hätte, wenn wir zur Tür hereingekommen wären«, antwortete ich. »Wenn die Sache gründlich schiefgegangen wäre, hätten wir es nicht überlebt, und unser Bewusstsein hätte dieses Narrativ nicht weiterverfolgt.«
    Sammann machte der Unterhaltung ein Ende, indem er sich abermals räusperte.
    »Wie lang werden wir brauchen, um von hier in Kugel vier zu
kommen?«, fragte Jesry. Ich glaube, er war der Einzige, der sprechen konnte; Lio und Arsibalt waren platt.
    »Wir sollten so bald wie möglich aufbrechen«, erwiderte Jules. »Eine Vorausabteilung befindet sich bereits dort.« Allestöter sind bereits in Kugel vier, dagegen ist nichts zu machen.
    Wir begannen unser Essen einzuschlagen und unsere Körbe neu zu packen. »Wie viele Orth-Dolmetscher gibt es?«, fragte Arsibalt. Werden wir mit dir zusammen sein?
    »Auf meinem Niveau nur mich.« Ich werde demnächst extrem beschäftigt sein und dann nicht mehr mit euch reden können.
    »Aus was für Leuten besteht die arbrische Delegation?«, fragte Lio. Wer hat den Finger am Auslöser der Allestöter?
    »Aus einer ziemlich komischen Mischung, wenn ihr mich fragt. Führer von Archs. Leute aus der Unterhaltungsindustrie. Handelskapitäne. Philanthropen wie Magnath Foral. Avot. Ita. Bürger – darunter auch ein Paar, das du gut kennst.« Das war an mich gerichtet.
    »Du machst wohl Witze«, sagte ich und vergaß vorübergehend den ganzen grausigen Subtext. »Cord und Yul?«
    Er nickte. »Wegen ihrer Rolle während der Heimsuchung von Orithena – über die dank dem Spulo, das du, Sammann, ins Retikulum gestellt hast, so viele Bescheid wissen – hat man es für angemessen gehalten, dass sie als Vertreter des Volkes hierherkommen.« Die Politiker verhökern sie an die Massenmedien.
    »Verstanden«, sagte Lio. »Aber unter all den

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