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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Sängern und Medizinmännern muss es doch wenigstens einige echte Vertreter der Säkularen Macht geben?«
    »Vier vom Militär, die mir ehrenwert vorkommen.« Nicht diejenigen, die die AT auslösen werden. »Zehn von der Regierung – darunter auch unsere alte Freundin, die Frau Ministerin.«
    »Diese Forals kommen ja wirklich herum«, entfuhr es mir unwillkürlich. Sammann sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Jules rasselte sodann eine Liste mit Namen und Titeln des Kontingents der Säkularen Macht herunter und gab sich alle Mühe, einige davon als bloße Berater zu qualifizieren. »… und schließlich noch unser alter Freund Emman Beldo, nach meinem Gefühl ein sehr stilles Wasser.« Er ist es.
    Welcher Praxik man sich auch immer bedienen würde, um die AT auszulösen, sie würde fortgeschritten, möglicherweise nichts weiter als ein Prototyp sein. Sie würde als etwas Harmloses getarnt
sein müssen. Man würde jemanden wie Emman brauchen, um das Ding zu bedienen. Und er würde seine Befehle vermutlich vom höchstrangigen Zampano der Delegation entgegennehmen. Nicht Ignetha Foral. Sie war in Sachen Stammlinie hier, da hatte ich keinerlei Zweifel. Was auch immer ihr nomineller Titel und Auftrag innerhalb der Säkularen Macht war, sie und Magnath, ihr Cousin – oder was auch immer er war -, waren nicht den ganzen Weg hierhergekommen, um sich den Launen des jeweiligen Zampanos zu unterwerfen, der in dem unendlichen Kasperletheater, das die säkulare Politik war, zuletzt die Oberhand gewonnen hatte.
    Wussten die Forals über Fraa Jad Bescheid? Arbeiteten sie mit ihm zusammen? Hatten sie während unseres Aufenthalts in Elkhazg gemeinsam einen Plan geschmiedet?
    Es gab so viel Stoff zum Nachdenken, dass mein Verstand abschaltete und ich die nächste halbe Stunde weitgehend damit zubrachte, neue Eindrücke aufzunehmen. Ich hatte mich in Handwerker Flecs Spulocorder verwandelt: nur Augen, kein Gehirn. Mit meinem Eagle-Rez, meinem SteadiHand und meinem DynaZoom beobachtete und registrierte ich benommen unsere Entlassung aus dem Krankenhaus. Papierkram, so schien es, war einer jener protischen Attraktoren, die unverändert allen Kosmen gemeinsam waren. Man übergab uns der Obhut eines fünfköpfigen Trupps von Troänern, die Nasenschläuche und dieselbe Aufmachung trugen wie die Schlägertypen, die Fraa Jad und mich in meinem Traum, meiner Halluzination oder polykosmischen Inkarnation angegriffen hatten. Lio beäugte ihre Waffen, die in Richtung Stöcke, Sprühdosen und elektrische Geräte tendierten – offenbar wurden hochenergetische Projektile in Umgebungen mit künstlichem Überdruck missbilligt. Sie musterten uns ihrerseits ausgiebig, wobei sie Lio besondere Aufmerksamkeit widmeten – sie hatten sich darüber informiert, wer von uns wer war, und einiges von der Thalermystik hatte auf ihn abgefärbt.
    Zwei der Soldaten und Jules gingen uns voran, drei folgten. Über eine Gangway gelangten wir in einen Garten, und ich schaute durch ein offenes Fenster auf einen Laterraner, der nur eine Armeslänge entfernt Geschirr abwusch. Er ignorierte mich. Von dort gelangten wir auf einen Schulhof. Die Kinder hörten einige Augenblicke lang auf zu spielen und sahen uns zu, wie wir vorbeigingen. Einige sagten hallo; wir lächelten, verbeugten uns und erwiderten den Gruß.
Das kam gut an. Von dort gelangten wir zu einem Hausboot, wo zwei Frauen Gemüse verpflanzten. Und so ging es weiter. Die Gemeinschaft verschwendete keinen Platz für Straßen. Ihr Verkehrswesen bestand aus einem Netz von öffentlichen Wegen, die über die Dächer und Terrassen der Hausboote führten. Jeder konnte überall hingehen, und eine soziale Konvention diktierte, dass die Leute einander schlicht ignorierten. Schwere Güter wurden auf schlanken Gondeln mit viel Tiefgang transportiert, die durch schmale Rinnen offenen Wassers manövrierten – deren Existenz war eine Überraschung, denn sie verliefen in Laubengängen, weshalb sie von der Krankenhausterrasse aus wie dunkelgrüne Venen und Arterien ausgesehen hatten, deren Verästelungen sich über die ganze Stadt erstreckten.
    Nach wenigen Minuten kamen wir zu einem Boot, das als Talstation des Sessellifts diente. Wir fuhren jeweils zu zweien – jeder Arbrer wurde von einem troänischen Soldaten begleitet – zu dem Loch im Himmel hinauf, bis alle in dem Portal versammelt waren, das Kugel zehn mit Kugel elf verband. Der Wind wehte uns so kräftig ins Gesicht, dass er uns in den Augen stach und unsere

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