Anatomie einer Affäre: Roman
begann vom Knochen her zu schmerzen. Ich wollte eine Tasse Tee.
Wir redeten bis vier Uhr morgens. Wir zogen alles ans Licht. Und die Dinge, die Conor in jener Nacht gegen mich vorbrachte – angefangen mit »selbstsüchtig« –, waren wie eine Schnecke, die einem über die Seele kriecht.
»Jeder ist selbstsüchtig«, entgegnete ich. »Sie nennen es nur anders.«
»Glaubst du?«
»Ich weiß es.«
»Na, dann weißt du was Falsches«, sagte er. »Nicht jeder ist selbstsüchtig.«
Vor dem Morgengrauen brachte ich ihn ins Bett und legte mich vollständig bekleidet neben ihn. Als er eingeschlafen war, stand ich auf, ließ die Umrisse meiner Gestalt auf der Bettdecke zurück und ging aus dem Zimmer. Ich nahm meine Tasche und den Koffer mit Kleidern, und ich nahm das, was er sich am meisten wünschte – einen kleinen Jungen vielleicht, der noch gar nicht entstanden war, einen robusten kleinen Flitzer, den er auf seine Schultern setzen und mit dem er in der Spielarkade daddeln und im Park Fußball spielen konnte.
Dann fuhr ich wieder nach Terenure und schickte Seán eine SMS.
»Hab Klamotten. Alles bestens.«
Seán – der sowieso gern ein Gummi benutzt.
Von allem anderen mal abgesehen, wie hätten wir das überhaupt finanzieren sollen? Die Hypothek kostete zweieinhalb Riesen im Monat, für die Kinderbetreuung wäre ein weiterer Tausender draufgegangen. Ein neues Haus – denn Kinder kann man nicht in einer Kiste mit Schlagseite aufziehen – würde noch mal Hunderte und Aberhunderte von Tausendern kosten. Also spielte es gar keine Rolle, was Conor wollte oder was ich wollte. Ich meine, ich mag Kinder, ich habe den Drang, mich fortzupflanzen, aber bei all seinem Gerede von verratenem Eheglück war Conor letzten Endes doch nur ein Träumer.
Da konnte er noch so viel rechnen – irgendetwas an uns als Paar bewirkte, dass wir einfach keinen Sinn für Geld hatten. Immer war es eine schreckliche Überraschung.
Ich weiß auch nicht, warum.
Aber ich gehe zu hart ins Gericht mit meinem Mann, den ich geliebt habe und der mit mir jetzt nicht nur über zerbrochene Träume streitet, sondern auch über das liebe Geld. Genau genommen streitet jeder mit mir über Geld, auch meine Schwester. Wer hätte gedacht, dass Liebe so kostspielig sein kann? Ich sollte mich hinsetzen und die Kosten pro Kuss ausrechnen. Der Preis dieses Hauses plus der Preis jenes Hauses, geteilt durch zwei, plus der Preis des Hauses, in dem wir uns befinden. Tausende. Jedes Mal, wenn ich ihn berühre. Hunderttausende. Weil wir es zu weit getrieben haben. Wir hätten es bei Parkhäusern und Hotelzimmern belassen sollen (nein, wirklich, wir hätten es tatsächlich bei Parkhäusern und Hotelzimmern belassen sollen). Wenn wir das tun, wird der Preis sinken – pro Vorkommnis gewissermaßen. Zwanzig Jahre Liebe können für ein paar Pennys vollzogen werden. Auf ein ganzes Leben umgerechnet, ist es fast umsonst.
Money (That’s What I Want)
Das »Zu verkaufen«-Schild draußen im Schnee wirkt so frisch wie an dem Tag, als es eingehämmert wurde. Niemand weiß, was das Haus inzwischen noch wert ist. Niemand will es kaufen, genau so viel ist es wert. Nichts. Dennoch wird man uns Steuern abverlangen, die auf jenen »etwas über zwei« beruhen. Für ein Haus, das derzeit keinen Pfifferling wert ist. Ich kann unechtes Geld einfach nicht von echtem unterscheiden. Ich laufe durch diese Zauberkiste, diese Falle, mit ihren eisgeblümten Fenstern, die im Verlauf des Vormittags Kondenswasser weinen. Ich klaube meine Aktentasche vom Konsolentisch in der Diele. Ich öffne dieselbe Tür, die ich geöffnet habe, seit ich den Riegel erreichen konnte. Und ich ziehe los, um Geld zu verdienen.
Als ich zur Autobahn komme, ist alles still: Ein paar nordirische Nummernschilder eilen in dem Versuch, dem Wetter zu entrinnen, zurück zur Grenze. Die Straße ist mir nicht die liebste in Irland – zu gerade und zu flach –, aber mir gefällt die epische Art und Weise, wie sich die Wolken stets auf die Mountains of Mourne, das Tor zum Schwarzen Norden, herabzusenken scheinen. Als die Berge schließlich in Sicht kommen, sind ihre dunklen Hänge weiß gestreift, und mein Handy hopst vor lauter Warnungen und düsteren Prophezeiungen. Der Schnee ist direkt über uns. Er wird gleich fallen.
»Such dir ein Hotel«, sagt das Büro. »Und bleib da!«
Bei Rathlin war ich abgesprungen, ehe der Laden gegen die Wand fuhr, und hatte in der Getränkeindustrie angefangen. Ich wollte ein
Weitere Kostenlose Bücher