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Anatomie einer Affäre: Roman

Anatomie einer Affäre: Roman

Titel: Anatomie einer Affäre: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright , Hans-Christian Oeser , Petra Kindler
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neues Leben, aber möglicherweise ahnte ich auch, was sich anbahnte. In jenem Herbst, als sich das Haus meiner Mutter, wie ein Traum, in einem Schwebezustand befand, bei »etwas über zwei«, ahnte ich möglicherweise, dass wir keinen Boden unter den Füßen hatten.
    Nicht dass ich es damals zugegeben hätte.
    Das Haus zu verkaufen war noch immer die Lösung aller Probleme. Wir senkten den Preis von »etwas über zwei« auf »etwas unter zwei«, und das war noch immer besser als ein Lottogewinn; es waren fünfhundertfünf-undsiebzigtausend Lammkoteletts, es waren anderthalb Jahrtausende Lamm auf dem Teller, es waren so viele Hemden, dass man nie wieder eins würde waschen müssen, es war die Hälfte des Reihenhauses in Clonskeagh und immer noch genug für ein Dach über dem Kopf, es war die Freiheit und die Zeit zu küssen, was man auch Liebe nennt.
    Aber niemand kaufte.
    Schon seltsam.
    Unterdessen fing ich also in der Getränkeindustrie an. Ich nehme an, meine Familie fand die Shiels ein bisschen ordinär, weil sie Gastwirte waren, aber wissen Sie, Conors Vater mochte blöd genug gewesen sein, das Zeug zu verkaufen, doch mein Vater war armselig genug, es zu trinken. Vielleicht merkte ich in meinem separaten, verwaisten Zustand endlich, auf wessen Seite ich stand. In guten wie in schlechten Zeiten, dachte ich, Al Ko Hol wird es immer geben.
    Wie sich herausstellte, hatten uns die schlechten Zeiten bereits eingeholt, und was als neue und aufregende virale Marketingkampagne im Internet begonnen hatte, endete damit, dass ich in einem VW Golf umherfuhr und Mädchen in Bikinis mit Tabletts voll aromatisierter Wodkas in Bars schickte. Was von der Zukunft des World Wide Web so weit entfernt ist, wie es nur irgend geht. Aber der Wodka verkauft sich, und inzwischen weiß ich fast alles über künstliche Bräunungsmittel. Ich bin wie diese Flugbegleiterin mit affektiert gedehnter Stimme, die ich einmal über die Sprechanlage gehört habe – bis ich begriff, dass es die Flugkapitänin war und sie uns keine Getränke und Snacks anbot, sondern sagte: »Ja, also, Leute, nicht viel zu berichten hier, unsere Flughöhe beträgt zwanzigtausend Fuß, mit leichtem Rückenwind…« Ich bin also die betont Affektierte in dieser Schar von Kunstblondinen mit Gänsehaut unter ihrem Xen-Tan-Absolute-Bräuner. Ich bin ganz weiß und ganz wirklich, behalte meine Kleider an und verdiene ein Vielfaches von dem, was sie bekommen. Trotzdem werde ich jeden zweiten Freitagabend zwischen 17.30 und 21.00 Uhr von örtlichen Presseleuten, Gastwirten und vielen Hundert betrunkenen Männern angerempelt und manchmal buchstäblich beiseitegeschubst. Einige der Männer halten vorher oder nachher kurz inne, um mich hämisch zu beäugen: Ah, sieh mal einer an, was haben wir denn da? Es gibt eine Menge, nennen wir’s mal: Kollateralwut, mit der man sich herumschlagen muss. Und dann ist da immer ein Typ – ein netter Typ, ein guter Typ –, der inmitten all der Aufregung beschließt, wenn überhaupt, dann das Mädel anzubaggern, das Kleider trägt. Dafür werde ich bezahlt. Ich bin Zuhälterin. Das Leben ist schon komisch.
    Aber nach Dundalk fahre ich nicht wegen einer Werbeaktion. Ich fahre nach Dundalk, um zwei Mitarbeiterinnen zu entlassen. Danach wird eine von ihnen auf Gelegenheitsbasis weiterbeschäftigt werden. Ich bin immer noch ziemlich neu, darum bin ich diejenige, die andere feuern muss – wobei unausgesprochen im Raume steht, dass die letzte Angestellte, die ich feuere, ich selbst sein könnte.
    Das Büro besteht aus ein paar Zimmern, die an eine Lagerhalle nahe der M1 angebaut wurden: graue Wände, graues Dach, blauer Teppichboden, rote Treppengeländer, gelbe Würfel, auf denen man seine Kaffeetasse abstellen kann. Schwer vorstellbar, dass hier Leute arbeiten. Nie hört man laute Stimmen. Nichts fühlt sich benutzt an.
    Ich lasse mich in dem kleinen Sitzungszimmer nieder und rufe die Mädchen einzeln herein. Ich fasse mich kurz und gebe mich einfach, denn das entspricht meinem Arbeitsstil, aber der Ausdruck in ihren Augen entgeht mir nicht. Ich sage nicht, dass es mir Spaß macht, aber man verbringt seine Zeit damit, so zu tun, als wäre man nicht wirklich der Boss, als wäre man unter Freunden, und trotzdem lästern sie über einen wie verrückt. Jetzt hatte es mit der Heuchelei ein Ende. Mit Beihilfe und Nebenbeschäftigungen würden sie ganz gut über die Runden kommen, aber man spürte das erste Reißen des Seils, als es, Strang für

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