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Anatomie einer Affäre: Roman

Anatomie einer Affäre: Roman

Titel: Anatomie einer Affäre: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright , Hans-Christian Oeser , Petra Kindler
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verliert man sein Haus, sagt er. Um den Anspruch aufrechtzuerhalten, muss man weiterhin dort übernachten. Was mir völlig neu war, aber da sieht man mal wieder. Man glaubt, es gehe um Sex, und dann fällt einem das Geld ein.
    So also steht es, in manchen Nächten: Ich schlafe im Bett meiner Schwester in Terenure. Seán schläft im Au-pair-Zimmer in Enniskerry, wo wir uns geküsst hatten, vielleicht sogar in seinem alten Schlafzimmer, neben dem gekränkten Körper seiner Frau. Seán schläft irgendwo zwischen dem alternden Fleisch seiner Frau und dem wachsenden Fleisch seines Kindes. Wer weiß, wo er in seinen Träumen schläft.
    »Ich erinnere mich nie an meine Träume«, sagt er.
    Es ist nicht nur der Schnee, der mich über diese Dinge nachgrübeln lässt. Obwohl es vielleicht auch der Schnee ist. Es ist Seáns Stimme am Telefon, die, nachdem er endlich in Budapest gelandet ist, ganz nach ihm selbst klingt – und so weit entfernt.
    »Scheiß-Ryanair«, sagt er.
    »Ja, klar.«
    »Wir saßen anderthalb Stunden lang auf der Rollbahn fest, dann hab ich aus dem Fenster gesehen, und auf dem Flügel stand ein Mann mit einer Schaufel. Er hat das Eis tatsächlich mit einer Schaufel entfernt, und dann war da eine Art Seil, an dem zwei Männer hingen und auf und ab sprangen. Die hatten das Seil über die Flügel geworfen und sägten damit hin und her. Das war schlimm genug. Ich meine, dazusitzen und zuzuschauen war schlimm genug. Aber dann sind wir gestartet.«
    »O Gott. Gab es Lichter?«
    »Was für Lichter?«
    »Ich weiß nicht. Schneelichter. Oder so was.«
    Ich will ihn sicher in seinem Flieger wissen. Ich muss durch die Bullaugen hineinblicken und in der Dunkelheit blaue und weiße Lichter blitzen sehen, wie auf einem Filmset aus den Fünfzigern, und draußen herrscht Schneegestöber. Und als hätte er mein Problem erraten, sagt Seán: »Der Mann stand nicht mehr auf dem Flügel. Glaub mir, ich hab nachgesehen.«
    »Wie ist es in Budapest? Schneit es?«
    »Bisher nicht«, sagt er. »Hör zu, Gina.«
    Ich weiß, wenn er meinen Namen sagt, will er über Evie reden. Oder nicht über Evie, sondern über irgendeine Vereinbarung im Zusammenhang mit Evie, bei der ich kein Mitspracherecht habe.
    »Was?«
    »Alles musste verschoben werden. Ich weiß nicht, ob ich schon morgen Nachmittag zurückkommen kann.«
    »Wann kannst du zurückkommen?«
    »Keine Ahnung. Spätestens Samstag. Wenn es nicht schneit.«
    »Gib mir Bescheid, sobald du es weißt, ja?«
    »Natürlich.«
    »Wie ist Budapest?«
    »Bin ich wirklich in Budapest?«
    Er klingt erschöpft. Ich kann die Nachrichten in seinem Hotelfernseher hören.
    »Lass dir ein schönes Bad ein«, sage ich.
    »Ich steh’ nicht so auf Bäder.«
    »Nein?«
    »Nicht in Hotels. Man weiß nie, wer vor einem drin war.«
    Ich brauche eine Weile, bis ich es höre oder begreife. Ich lausche dem Raum, den er einnimmt, ich lausche seinem Atem, dem Timbre seiner Stimme, das für mich fast dasselbe ist wie die Beschaffenheit seiner Haut. Es hat die gleiche Wirkung. Oder eine stärkere. Wenn ich ihm zuhöre, bin ich ihm näher, als wenn ich ihn berühre.
    »Ach, du musst nur einfach mal durchwischen«, sage ich.
    Ich könnte mein ganzes Leben am Telefon verbringen.
    Wie sich herausstellt, hat Evie – ehrlich gesagt, blende ich diesen Teil des Gesprächs aus. Seán sagt: »Samstagmorgen hat Evie …«, und mein Hirn macht: »Zwitscher, zwitscher, oh, ist es schon so spät, wie hübsch«, und ich schaue hinaus in den Garten und zu den Verkehrsampeln dahinter, die, während sie sinnlos von Rot auf Grün umspringen, ihr schönes Licht über die friedliche, von Reifen zerpflügte Schneefläche werfen. Evie hat also, ich weiß nicht was, Reitstunden oder eine Verabredung zum Spielen oder Theatergruppe oder einen Termin beim Kieferorthopäden, was zur Folge hat, dass – zwitscher, zwitscher – Seán sie am Freitag in der Innenstadt oder in Enniskerry oder, falls Schule ist, von der Schule abholen muss. Nur wird es nicht Seán sein, denn Seán ist nicht hier, und ich sage: »In Ordnung, kein Problem«, und erst, nachdem ich aufgelegt habe, wird mir klar, dass Seán etwas Neues gesagt hat. Er hat gesagt, dass infolge von Umständen, die in meinem Hirn einen ganzen Spatzenschwarm freigesetzt haben, womöglich ich es bin, die Evie morgen abholen muss. Ich selbst werde mich darum kümmern müssen, derweil Seán, voraussichtlich, auf dem Heimflug ist.
    Großartig.
    Aileen darf damit natürlich nicht

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