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Anatomie einer Affäre: Roman

Anatomie einer Affäre: Roman

Titel: Anatomie einer Affäre: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright , Hans-Christian Oeser , Petra Kindler
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man.

Stop! In the Name of Love
     
    Conor und ich verbrachten einen langen Abend in Clonskeagh, ohne uns anzuschreien, jedenfalls zu Beginn. Er kam herein, während ich ein paar Kleidungsstücke aus dem Einbauschrank holte. Das Ding habe ich stets gehasst. Beim Unterschreiben des Kaufvertrags konnte man die Ausstattung festlegen. Man überreichte mehr als dreihundert Riesen, und mit ganz eigenem Lächeln überreichten sie einem im Gegenzug eine kleine Karte voller Quadrate aus poliertem Holz. Wir wählten »Birke«. Grauenhaft. Jedenfalls holte ich gerade ein paar Sachen aus dem Einbauschrank, als ich Conor die Treppe heraufkommen hörte, und einige Augenblicke später erschien er im Türrahmen. Wir sprachen nicht. Er setzte sich aufs Bett und sah zu, wie ich ein Armvoll Kleidungsstücke herausnahm und sie mitsamt den Bügeln in einen Koffer legte. Dann stand er auf und verließ das Zimmer.
    Als ich den Koffer geschlossen hatte und herauskam, fand ich ihn auf dem Sofa, wo er meine Umhängetasche von Pauric Sweeney durchkramte.
    »Was machst du da?«
    »Nimmst du wieder die Pille?«, fragte er.
    »Was?«, sagte ich.
    »Ich will’s einfach nur wissen.«
    Ich drehte mich um und ging wieder ins Schlafzimmer. Es war alles zu traurig, um herumzubrüllen. Aber nach kurzem Schweigen gelang es uns trotzdem.
    »Ich bin dein beschissener Ehemann, falls du das nicht weißt!«
    Conor verliert nur selten die Beherrschung. Aber wenn, dann wie eine Comicfigur, mit hervortretenden Muskeln und platzenden Äderchen. Beinahe hätte er mir Angst gemacht. Und mir fiel etwas über ihn ein, das ich irgendwie hatte verdrängen können: wie präzise er im Bett war, wie er mich zwischen den Laken auf seine erbarmungslos freundliche Art vernichten konnte.
    »Ach ja, stimmt. Hätte ich fast vergessen .«
    Denn man darf es gar nicht aussprechen, aber kurz bevor ich begann, mit Seán zu schlafen – als ich darüber nachdachte, als ich nahe daran war –, hatten Conor und ich eine Menge Sex. Nicht die langsame Hingabe unserer Anfangszeit, sondern wühlenden, stöbernden, jähen Sex, der streng genommen nicht dem Vergnügen diente; bei dem es nicht um mich ging. Hätte Conor mich damals schwängern können, dann hätte er es getan, ohne nachzudenken (nichts von alledem hatte mit Denken zu tun), und darum glaube ich im Übrigen auch, dass er irgendwo in seinem tiefsten Innern über Seán Bescheid wusste.
    Das Einzige, was er nie sagte, war, dass er überrascht sei.
    Armer, furchterregender Conor. Wie er da mit verkrampften Händen und vorgestrecktem Kopf im grellen Halogenlicht stand. Ich versuchte, an ihm vorbeizukommen, um zur Treppe zu gelangen, aber er wollte den Weg nicht freigeben, und so trat ich zurück und schlug ihm hart ins Gesicht. Ich hatte erwartet, dass der Schlag mir wehtun würde, stattdessen breitete sich von der Druckstelle eine Art Taubheit aus. Es war, als hätte ich auf Gummi eingeschlagen – nicht nur seine Wange schien taub, sondern auch meine Hand, das ganze Zimmer. Also holte ich noch einmal gegen ihn aus, um zu sehen, ob sich das Gefühl wieder einstellen würde.
    Dann wurde es chaotisch. Der Koffer wurde meiner Hand entwunden, und als ich hinabblickte, erwischte mich Conor mit der flachen Hand am Kinn. Ich verspürte keinen Schmerz, nur eine Erschütterung; mein Hirn bewegte sich schneller als mein Schädel. Als ich mein Gleichgewicht wiederfand, sah ich, dass Conor zurückgewichen war, mit dem Rücken zur Wand stand und sich die Hand rieb. Erst da begann meine Wange zu brennen. Die Verzögerung beunruhigte mich. Meine Nerven reagierten langsam. Selbst als der Schmerz eintrat, war ich mir nicht sicher, dass er mir widerfuhr.
    Und dann war ich mir sicher.
    Es war wie jener Moment viele Stunden nach einer Landung, wenn unsere Ohren beschließen, sich zu öffnen. Während der Schmerz sich noch ausbreitete, sahen wir einander an und wurden uns bewusst, dass wir separate Menschenwesen waren.
    Und das ermattete uns.
    Ich wartete auf die Fortsetzung des Drehbuchs, auf die kleine Gefühlswallung, die mich veranlassen würde, meinen Koffer zu schnappen, ihm einen verachtungsvollen Blick zuzuschleudern und die Treppe hinabzuhasten. Doch die Gefühlswallung ließ auf sich warten. Ich stand da, hob das Gesicht und brach in jämmerliche Tränen aus. Conor trat vor, zog meinen Kopf an seine Schulter, und ich sagte: »Rühr mich nicht an. Ich will nicht, dass du mich anrührst«, blieb aber doch an ihn gelehnt stehen. Mein Kinn

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