Ancient BladesDie Metropole der Diebe
Einhundertundein Königstaler. Und hier« – er blätterte eine Seite zurück – »steht die Zahlung von einem halben Pfennig.« Cubill grub eine Münze aus dem Wams und reichte sie Malden.
»Wofür ist das?«, fragte Malden zaghaft. Er starrte die Münze in seiner Hand an.
»Das ist das traditionelle Trennungsgeld. Wenn ein Dieb meine Organisation verlässt, erhält er diese Summe.«
»Ich verstehe.«
Cubill nahm einen weiteren Eintrag vor. »Die Münze steckt man dem Dieb in den Mund. Nachdem man ihm die Zunge herausgeschnitten hat, um Platz zu schaffen, und ihm die Kehle durchgeschnitten wurde. Gewöhnlich übernimmt Bellard diese ehrenvolle Aufgabe, aber er steht heute nicht zur Verfügung. Wärst du also so freundlich und tätest es selbst, mit dem albernen Dolch, den du da trägst?«
Malden stockte der Atem. Er versuchte etwas zu sagen, aber die Worte wollten nicht kommen. Unfähig, sich noch länger aufrecht zu halten, hockte er sich auf den Rand von Cubills Schreibtisch.
»Natürlich nachdem du gegangen bist«, sagte Cubill ohne aufzusehen.
Malden zog die Ahle.
Er konnte den Mann töten, auf der Stelle. Er konnte den Gildenmeister niederstrecken. Es war keiner da, der zu seiner Verteidigung herbeigeeilt käme, und selbst wenn sich ein Wächter in einem weiteren Spionloch verbarg, konnte es Malden schaffen, bevor man ihn aufhielt. Er konnte den Mann töten und dann fliehen und dann …
Trotzdem tat er es nicht. Cubill musste die Möglichkeit in Betracht gezogen haben, als er Malden den Selbstmord befahl. Es musste einen guten Grund geben, dass er den Dieb nicht fürchtete. Vielleicht … vielleicht hatte er ja einen Schutz, der nicht sofort ersichlich war. Einen Zauber gegen Klingen. Eine Verwünschung im Ärmel. Oder einen geschickt verborgenen Bogenschützen, der Malden beim ersten Anzeichen von Gewalt niederschoss.
Ja, eine solche oder ähnliche Lebensversicherung hatte ein Mann wie Cubill vermulich.
Malden senkte die Waffe.
»Du hast etwas geschafft, was Vry niemals schaffen würde. Du hast ohne jede Hilfe meine Organisation zerstört. Einfach, indem du eine erstaunlich dumme Entscheidung getroffen hast. Du hast mich nicht darüber in Kenntnis gesetzt, was du stehlen wolltest.«
»Ich … ich wollte dich oder die Gilde nicht mit hineinziehen«, protestierte Malden. »Das hat sich doch schon bewährt – der Zeigestein konnte keine Lügen in deinem Herzen entdecken. Und jetzt hat Vry keinen Beweis, dass ich in deinem Namen gearbeitet habe.«
»Beweis? Beweise sind etwas für die Reichen. Wenn man einen Mann mit Besitz vor Gericht bringt und er von seinesgleichen verurteilt wird, dann braucht man Beweise.« Cubill hob den Kopf und sah Malden an. »Wenn der Vogt das nächste Mal kommt, dann wird es kein Verfahren geben. Er wird meinen Namen haben, weil er so viele Leute foltern lässt, bis einer von ihnen meinen Namen nennt, nur damit die Schmerzen aufhören. Und dann wird er genau das tun, was er versprochen hat.«
»Aber in sieben Tagen – in dieser Zeit wird er die Krone nicht finden.«
»Das ist uns allen klar. Aber das wird Vry nicht davon abhalten, mich zu vernichten.«
»Ich weiß, wo sie ist«, sagte Malden. »In diesem Augenblick. Oder zumindest, wer sie hat.«
»Das wäre nützlich zu wissen. Zu schade, dass ein Toter dieses Wissen nicht weitergeben kann.«
»Aber du könntest dem Vogt doch einfach sagen, wo sie ist, und dann …«
»Das würde nichts ändern. Nein.« Der Diebesmeister warf die Feder zur Seite und legte den Kopf in den Nacken, als sei er von dem ständige Beugen über das Schreibpult erschöpft. »Das würde den Prozess nur noch beschleunigen. Die einzige Möglichkeit, der Hauch einer Möglichkeit, die Angelegenheit zu meinen Gunsten zu beenden, bestünde darin, wenn ich die Krone irgendwie selbst wiederbeschaffen könnte. Könnte ich sie dem Burggrafen vor dem Göttinnenfest persönlich übergeben … nun ja. Er und ich haben bereits eine Übereinkunft getroffen. Er könnte Vry an die Leine legen wie den Hund, der er ist. Aber natürlich komme ich an die Krone nicht heran, oder? Sie befindet sich im Besitz derer, die ich nicht zu bestehlen wage.«
Malden schüttelte den Kopf. Er wusste genau, worauf es hinauslief. Aber Cubill wollte, dass er die Entscheidung selbst traf. Malden würde sich das, was er bereits verkauft hatte, zurückholen müssen. Nur so könnte er vielleicht sein Leben retten. »Lass mich das übernehmen. Lass mich zu
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