Andalusisches Feuer
– gerecht zu werden. Doch die Spannungen waren immer stärker geworden, und Sarah fühlte sich von den Menschen, die sie liebte, unter unerträglichen Druck gesetzt.
Ihr Selbstbewusstsein war dahin, sie hatte sich schrecklich unzulänglich gefühlt, was durch Rafaels Verhalten noch verstärkt wurde. Er hatte die Fäden ihres Lebens genau da aufgenommen, wo die Southcotts sie abgelegt hatten, kontrollierte und gängelte sie wie ein dummes Kind, das umsorgt und beschützt werden musste. Manchmal hätte sie schreien können, dass sie nicht mehr bevormundet werden wollte. Doch aufgrund ihrer Erziehung war es ihr nicht gelungen, ihren Frust auf so einfache Weise loszuwerden.
Sie hatte nie gelernt, mit Gefühlen umzugehen, und niemals die Erfahrung gemacht, dass es normal war, sich über einen geliebten Menschen auch einmal fürchterlich zu ärgern.
Simple Diskussionen arteten mit Rafael zu heftigen Streitgesprächen aus, seinem Redeschwall war sie regelmäßig hoffnungslos unterlegen. Sarahs anfänglich leichtes Unbehagen ihm gegenüber hatte im Lauf der Zeit unüberwindliche Ausmaße angenommen.
4. KAPITEL
Nach dem missglückten Sonntag begann auch der Montag hektisch. Gilly und Ben wollten nach dem Kindergarten auf eine Geburtstagsparty gehen. Sarah musste in aller Eile die Kinder fertig machen, das Geschenk hervorsuchen und auch noch einpacken. Gerade noch pünktlich erreichte sie völlig gestresst das Büro. Eine Sommergrippe hatte die Belegschaft dezimiert, und so musste sie nicht nur die eintreffenden Klienten begrüßen und ihre Anfragen beantworten, sondern auch noch einen Berg Schreibarbeiten nebenher erledigen. Normalerweise konnte sie mit geschlossenen Augen tippen, aber heute machte sie Fehler über Fehler. Als endlich ihr Feierabend anbrach, fühlte sie sich völlig ausgelaugt. Genau in dem Moment spazierte Rafael herein.
Er trug einen fantastischen taubengrauen Maßanzug im kontinentalen Stil aus dezent glänzendem, teurem Stoff. Der Schnitt betonte die breiten Schultern, die schlanken Beine und seine lässige Haltung. Er trat auf wie ein erfolgreicher europäischer Geschäftsmann, kultiviert und sehr selbstbewusst, und hatte gleichzeitig eine exotische Note.
„Wer hat dir erzählt, wo ich arbeite?“ Sarah ärgerte sich, dass ihre Stimme so atemlos klang. Sie hasste Überraschungen.
„Dein Nachbar war sehr hilfsbereit“, teilte Rafael ihr mit, der so gelassen war wie sie nervös. „Soweit ich erfahren habe, sind die Kinder heute Nachmittag anderweitig versorgt. Du hast also Zeit, mit mir zum Lunch zu gehen.“
Sarahs Mund stand unelegant offen. „Lunch?“
„Was ist daran so erstaunlich?“, fragte er ungeduldig. „Wenn du etwas anderes vorhast, sag es ab.“
Beinahe hätte sie alle Vorsicht in den Wind geschlagen und ihn angelogen, aber ein letzter Rest Geistesgegenwart schützte sie vor diesem Fehler. Rafael hielt alle Trümpfe in der Hand. Ihn unnötig zu verärgern wäre dumm. „Gib mir ein paar Minuten.“
Sie ging in die Toilette und atmete ein paar Mal tief durch, um sich zu beruhigen. Was wollte er? Hatte er bereits seinen Anwalt aufgesucht? Das würde erklären, warum der Mann, der nicht einmal bei seiner eigenen Hochzeit einen Schlips angelegt hatte, einen Anzug trug. Sie schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse . Himmel, wie langweilig ich aus sehe! Die weiße kurzärmlige Bluse und der schmale grüne Rock wirkten wie eine Uniform. In einem plötzlichen Anflug von Rebellion löste sie ihr sorgfältig hochgestecktes Haar und ließ die blassgoldenen Strähnen in seidiger Unordnung um ihre Schultern fließen. Wie gern hätte sie ihn mit einem knallroten, umwerfend sexy Kleid überrascht. Sie runzelte die Stirn. Was, um Himmels willen, hat mein Aussehen mit meinen Problemen zu tun, dachte sie zutiefst irritiert und bürstete energisch ihr Haar.
Als sie zu ihm zurückkam, betrachtete er sie in aller Ruhe. Sie errötete und ärgerte sich über die Erregung, die in ihr aufstieg. Die verschwindet bestimmt schnell, wenn ich eine Zeit lang Rafaels chauvinistische Ansichten ertragen muss, beruhigte sie sich selbst.
„Wie lange bist du schon berufstätig?“, wollte er wissen, während sie ins Freie gingen.
„Seit die Zwillinge im Kindergarten sind.“
Er presste die Lippen aufeinander. „Was machst du während der Ferien mit ihnen?“
Sarah musste sich zügeln, um keine pampige Antwort zu geben. „Was glaubst du denn? Ich bezahle jemanden, der auf sie aufpasst!“
„Meiner
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