Andalusisches Feuer
Leben verschwunden warst, glaubte ich, ich hätte keinen Grund mehr zu leben!“
„Sarah …“, flüsterte er heiser.
Atemlos sah sie ihn an. Er lächelte strahlend, die Zähne in seinem leicht geöffneten Mund glitzerten wie Diamanten in der Sonne, und die Anziehungskraft dieses Lächelns ließ sie erschauern. Schnell wappnete sie sich gegen einen weiteren Angriff, stellte ihre Stacheln auf wie ein Igel. „Du solltest jetzt gehen. Suzanne wird gleich einen Suchtrupp nach dir losschicken.“
„Glaubst du noch immer, dass ich mit ihr schlafe?“ Entzückt stellte sie fest, dass das Lächeln verschwunden war.
„Das, woran ich denke, hat wenig mit schlafen zu tun“, sagte sie ätzend.
„Auch das mache ich nicht mit ihr“, gab er kühl zurück.
„Nie?“
Ein Hauch Farbe überzog seine Wangen. „Vor … vor langer Zeit, nachdem wir uns getrennt hatten. Ich hatte gerade die Scheidungspapiere erhalten, war sehr betrunken und deprimiert. Du wolltest die Scheidung, Sarah, also verurteile mich nicht dafür“, murmelte er. „Heute sind wir lediglich sehr gute Freunde.“
„Suzannes Mann Eduardo wohnt auch bei mir. Ihr kleiner Sohn wird in einer berühmten Londoner Klinik operiert. Er ist schwer krank. Ich bot ihnen mein Apartment an, solange sie hierbleiben müssen.“
Sarah gab durch kein Zeichen zu erkennen, dass sie auch nur ein Wort seiner Erklärung gehört hatte. Sie hatte an diesem Tag wirklich zu viel erlebt und war am Ende ihrer Kräfte angelangt. Als er die Wohnungstür leise hinter sich ins Schloss zog, brach sie zusammen. Der Aufruhr ihrer Gefühle ließ sie auch in dieser Nacht keine Ruhe finden.
Am nächsten Morgen reichte sie die Kündigung ein. Der Personalchef runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Ihr Weggang würde die Firma nicht in den Ruin treiben, aber Sarah hatte ihren Job gern gemacht und war sich sehr wohl bewusst, dass es nahezu unmöglich sein würde, in kurzer Zeit eine ähnlich gut geeignete Stelle zu finden. Doch was sollte sie sonst machen? Ein Gerichtsverfahren gegen Rafael kam nicht in Frage. Auf Betreiben ihres Vaters hatte sie Monate in einer Klinik, die in erster Linie eine Nervenheilanstalt war, verbracht – würde der Richter ihr glauben, dass sie geistig völlig gesund war?
Möglicherweise würde sich alles von selbst einrenken. Rafael könnte der Vaterschaft schnell überdrüssig werden. Gilly und Ben waren manchmal sehr schwierig und fordernd. Sie würden sein Leben völlig umkrempeln. Wenn Rafael malte, verlangte er absolute Ruhe, doch die Zwillinge würden ihn ständig belagern. Zwar mochte Rafael in den höchsten Tönen von der Erziehung seiner Kinder schwärmen, doch wie sah es aus, wenn seine eigene Freiheit eingeschränkt wurde? Vermutlich braucht es nur ein paar Wochen, bis er das selbst herausfindet, dachte sie auf dem Weg zum Kindergarten, wo sie die Zwillinge abholen wollte.
Als sie ankam, traf sie auf Rafael, der sich mit der Kindergärtnerin unterhielt. Gilly klammerte sich an eine Hand, Ben an die andere. Sarah rief ihnen entgegen: „Hallo, meine beiden Schätze. Kommt zu Mummy!“
„Wir sagen Daddy auf Wiedersehen.“ Ben blieb, wo er war, ein trotziger Ausdruck lag auf seinem kleinen Gesicht. Gilly drehte den Kopf weg und gab vor, ihre Mutter nicht zu bemerken.
Rafael stieg die Stufen herab und schüttelte die beiden ab. „Wenn eure Mutter euch etwas sagt, dann tut ihr das.“
Ben sah ihn aufsässig an. „Nein.“
Gilly schüttelte den Kopf. „Nein.“
Sarah hielt den Atem an. Sie erwartete ein Donnerwetter von Rafael. Stattdessen hockte er sich hin, um auf Augenhöhe mit den Kindern sprechen zu können, und fragte: „Warum?“
Gillys kleiner Mund zitterte. „Der Daddy von Peter Tate ist in ein Flugzeug eingestiegen und nie wiedergekommen.“
Ben scharrte mit dem Turnschuh über den Boden und versuchte, seine Angst hinter einer Maske aus Coolness zu verbergen. „Daddys tun ständig so was, glaube ich“, murmelte er.
„Ich nicht, das verspreche ich euch.“ Beiläufig zog Rafael seine goldene Armbanduhr aus und reichte sie Ben. „Ganz bald kommt ihr zu mir nach Spanien. Würdest du auf die hier aufpassen, bis wir uns wiedersehen?“
Rafaels Augen glitzerten verräterisch. Sarah musste wegsehen, sie hatte einen Kloß im Hals. Er war sol y som bra – Sonne und Schatten. Sie hatte sich in seine Wärme und Lebendigkeit verliebt. In ihrer Unschuld hatte sie die dunkle wilde Seite, die darunter verborgen lag, zunächst nicht
Weitere Kostenlose Bücher