Andalusisches Feuer
verstanden. Dann war es zu spät gewesen. Rafael, der einst so offen zu ihr gewesen war, hatte sie ausgeschlossen. Sie hatte nicht gewusst, wie sie ihn erreichen sollte, hatte Angst gehabt, es zu versuchen.
Rafael verabschiedete sich von den Kindern, dann wandte er sich ihr zu. „Ich wollte sie vor meiner Abreise noch einmal sehen“, erklärte er und gab ihr einen flüchtigen Abschiedskuss auf die Wange. Dann ging er über den Bürgersteig davon und stieg in ein wartendes Taxi.
Auf dem Heimweg und den ganzen restlichen Tag über löcherten die Kinder ihre Mutter unermüdlich mit Fragen über Spanien und wann sie endlich zu ihrem Dad fahren dürften.
Die Zeit bis zur Abreise verflog in hektischer Betriebsamkeit. Sarah musste packen, Reisepässe organisieren, sich um die Wohnung kümmern, ein ausführliches Gespräch mit Karen führen und dergleichen mehr. Sie kam wieder zu sich, als sie endlich im Flugzeug saßen, das mit Verspätung gestartet war, sodass sie erst am späten Nachmittag in Sevilla landeten. Die Hitze war fast unerträglich, die Zwillinge völlig überdreht. Ständig musste sie die beiden ermahnen, nicht davonzulaufen. Als sie endlich die Koffer ausgehändigt bekommen hatten, war Sarah schweißgebadet und todmüde.
„Wo ist Daddy?“, quengelte Gilly.
Das hätte auch Sarah zu gern gewusst. Sie blickte sich aufmerksam in der Ankunftshalle um. Zwar hatte er bei ihrem letzten kurzen Telefonat nicht extra erwähnt, dass er sie abholen käme, doch sie war fest davon ausgegangen.
„ Señora Alejandro ?“
Sie fuhr herum. Ihr gegenüber stand ein kleiner rundlicher Mann, der eine Chauffeurmütze in der Hand hielt. „Ja … sí?“, berichtigte sie sich unsicher.
„ Don Rafael lässt sich entschuldigen. Er konnte leider nicht persönlich kommen.“ Der Spanier sprach englisch, langsam und sehr sorgfältig betont. „Ich bin der Chauffeur, Timoteo Delgados. Bitte folgen Sie mir, por favor.“ Er hörte sich an, als habe er gerade einen auswendig gelernten Text vorgetragen.
Dann nahm er das Gepäck und bahnte seinen Fahrgästen einen Weg durch die Menge. Gilly und Ben liefen voraus, und Sarah musste sich beeilen, sie einzuholen. Im Freien war die Luft etwas kühler und viel weniger stickig. Sie erreichten den Parkplatz, und Timoteo lud die Koffer zum großen Erstaunen aller in den Gepäckraum eines weißen Rolls-Royce. Das ist bestimmt ein Mietwagen – und damit hat Rafael maßlos übertrieben, fand Sarah. Es hätte sie weitaus mehr beeindruckt, wenn er persönlich zum Flughafen gekommen wäre.
„Wie lange dauert die Fahrt?“, wollte sie wissen. Timoteo sah sie verständnislos an. „Müssen wir weit fahren?“, versuchte sie es erneut.
„ Lo siento mucho, señora. No hablo inglés“, gestand er ängstlich.
Als seine Fahrgäste Platz genommen hatten, schlug er die Tür hinter ihnen zu. Die Kinder waren schwer beeindruckt von der fantastischen Limousine. Sarah schleuderte die Schuhe von den Füßen und bewegte genüsslich die Zehen. Und selbst sie empfand so etwas wie Aufregung, als sie die schmalen, gewundenen Straßen entlangfuhren, die von flachen weißen Häusern gesäumt waren, und sie einen Blick auf die herrliche gotische Kathedrale aus dem fünfzehnten Jahrhundert erhaschte, über der der Himmel azurblau strahlte. Viel zu schnell waren sie auf der Autobahn. Erst nach knapp einer Stunde fuhren sie von ihr ab. Die Fahrt ging weiter über eine kurvenreiche Landstraße, vorbei an silbriggrünen Olivenhainen und Obstgärten voller Orangen und Limonen, die sich mit ausgedehntem Weideland abwechselten. Ein zarter Duft nach Zitronen erfüllte schon bald den Wagen, und Sarah atmete genüsslich ein.
Auf dem Gipfel eines steilen Hügels verlangsamte der Wagen die Fahrt und hielt vor einem massiven steinernen Tor, das mit schmiedeeisernen Gittern verschlossen war. Langsam schwangen die Türflügel auf, offenbar elektronisch betätigt, und vor ihnen erstreckte sich eine breite, kerzengerade Allee.
Sarah blickte sich aufmerksam um. Die Straße mündete in einer anmutig geschwungenen Auffahrt vor einem großen Haus, dessen elegante Fassade mit den schlanken Säulen und Bögen sehr an einen maurischen Palast erinnerte. Die Mauern waren zum Teil überwuchert von roten und violetten Bougainvilleen. Steinerne Urnen, gefüllt mit Hortensien und Geranien in voller Blütenpracht, säumten die mit Mosaikfliesen ausgelegten Terrassen unter den Bogengängen. Zwischen den Bäumen konnte sie einen Blick auf
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