anderbookz Short Story Compilation II
verstimmt wegen seines Autos. »Was macht sie denn besser?«
»Weil man erstaunliche Dinge damit vollbringen kann«, sagte Harry. Er zitierte Dr. Mentaine. »›Hypnose setzt das geistige Potential frei und läßt allen Kräften freien Lauf, über die man tatsächlich verfügt.‹ Wenn du jetzt damit anfängst, wirst du echt alle Bücher kennen, wenn die Schule wieder anfängt. Du wirst jeden Test bestehen, den Mrs. Franken dir aufgibt, so wie ich auch.« Er griff über den Tisch und umklammerte Klein Eddies Handgelenk, wodurch er eine dicke braune Pomme frite auf dem Weg zum Ketchupklecks aufhielt. »Aber sie wird dich nicht nur in der Schule gut machen. Wenn du es mich mit dir versuchen läßt, dann kann ich dir ganz sicher zeigen, daß du viel stärker bist, als du selbst denkst.«
Eddie blinzelte.
»Und ich wette, ich kann machen, daß du vor nichts mehr Angst hast. Dafür ist Hypnose echt gut. Ich las in diesem Buch hier von einem Mann, der vor Brücken Angst hatte. Wenn er nur daran dachte, eine Brücke zu überqueren, wurde ihm schwindlig und er bekam Schweißausbrüche. Schreckliche Sachen passierten ihm, er verlor seinen Job, und einmal mußte er mit dem Auto über eine Brücke fahren und machte sich dabei vor Angst in die Hosen. Er ging zu Dr. Mentaine, und Dr. Mentaine hypnotisierte ihn und sagte ihm, er würde nie mehr im Leben vor Brücken Angst haben, und so kam es.«
Harry zog das Taschenbuch aus der Gesäßtasche. Er legte es flach auf den Tisch und beugte sich über die Seiten. »Hier. Hör dir das an. ›Die positiven Auswirkungen ließen sich in allen Lebensbereichen des Patienten feststellen, und Resultate wurden erzielt, für die er jeden Preis bezahlt hätte.‹« Harry las die Worte stockend, aber er verstand ihren Sinn.
»Hypmose kann mich stark machen?« fragte Klein Eddie, der sich diesen Punkt offensichtlich besonders eingeprägt hatte.
»Stark wie ein Bulle.«
»Stärker als Albert?«
»Viel stärker als Albert. Sogar viel stärker als ich.«
»Und ich kann größere Jungs verprügeln, die mir weh tun?«
»Du mußt nur lernen, wie.«
Eddie sprang von seinem Stuhl auf und kreischte unsinnige Worte. Er spannte den kümmerlichen Bizeps und nahm eine Zeitlang typische Muskelmänner-Haltungen ein.
»Möchtest du es tun?« fragte Harry schließlich.
Klein Eddie ließ sich auf den Stuhl fallen und sah Harry an. Der Kragenstreifen seines T-Shirts hing bis zum Brustband herab, ohne die Brust tatsächlich einmal zu berühren. »Ich möchte anfangen.«
»Okay, Eddie, guter Junge.« Harry stand auf und legte die Hand auf das Buch. »Auf zum Dachboden.«
»Aber ich will nicht auf den Dachboden«, sagte Eddie. Er sah Harry immer noch an, aber er hatte den Kopf wie eine unheimliche kleine Nachbildung von Maryrose geneigt, und seine Augen blickten voller Argwohn.
»Ich werde dir nichts wegnehmen, Klein Eddie«, sagte Harry. »Es ist nur, wir sollten unsere Ruhe haben, und auf dem Dachboden ist es wirklich ruhig.«
Klein Eddie schob die Hand ins T-Shirt und ließ sie am Gelenk herunterbaumeln.
»Du hast dein T-Shirt in eine Armschlinge verwandelt«, sagte Harry.
Eddie zog die Hand aus der Schlinge.
»Albert könnte hereinkommen und alles kaputtmachen, wenn wir es im Schlafzimmer tun.«
»Wenn du zuerst hochgehst und das Licht einschaltest«, sagte Klein Eddie.
5
Harry hielt das offene Buch auf dem Schoß und sah von ihm zu Klein Eddies nervösem, verschmiertem Gesicht. Diese Seiten hatte er viele Male gelesen, während er auf der Veranda saß. Hypnose ließ sich auf wenige einfache Schritte zurückführen, wobei jeder auf dem vorhergehenden aufbaute. Zuerst mußte er sich darum kümmern, daß sein Bruder ›entspannt und empfänglich‹ wurde, wie Dr. Mentaine schrieb.
Klein Eddie bewegte sich in dem Korbsessel und knetete die Hände ineinander. Sein Schatten, den die über ihnen baumelnde Glühbirne warf, imitierte ihn wie ein an einen Stuhl gefesseltes Äffchen. »Ich will anfangen, ich will stark sein«, sagte er.
»Hier in diesem Buch steht, daß du dich entspannen mußt«, sagte Harry. »Leg einfach die Hände auf die Beine, ruhig und gelassen, so daß die Finger ausgestreckt sind. Dann schließ die Augen und atme mehrmals ein und aus. Stell dir vor, du wärst müde und erschöpft und kurz vor dem Schlafengehen.«
»Ich möchte nicht schlafen!«
»Das ist nicht wirklich Schlaf, Klein Eddie, nur so ähnlich. Du wirst immer noch richtig wach sein, aber entspannt und
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