anderbookz Short Story Compilation II
ihr stand und sie an einem Bein unter dem Heu hervorzog, konnte das Messer an ihrer Brust nicht sehen.
Kein Schrei entfuhr dem Mädchen . Ihre Angst begrub sie hinter dem Pochen ihres Herzens, neben dem das Messer schlummerte; noch weigerte sie sich zu glauben, daß die Stunden der Ungewißheit und schließlich die Flucht selbst zu Ende waren. Das Gehen, Laufen, sich Verstecken in den Wäldern von Mississippi und Louisiana hatte einen beinahe angenehmen Rhythmus erzeugt; sich nur nicht jenen Leuten ausliefern, von denen die Mutter beschwörend behauptete, sie seien keine menschlichen Wesen.
In ihrem Gedächtnis suchte das Mädchen nach den vielsprachigen, bruchstückartigen Geschichten, mit denen die verstorbene Mutter den Weg in dieses Land beschrieben hatte. Aus den Legenden erstand ein Bild, wie die Fulani einst gelebt hatten - im Rhythmus der Natur und ohne Fesseln. Mit jedem Jahr wurde dieses Bild blasser.
»Los Mädel, steh auf, es ist Zeit, steh auf!« Die Stimme der Mutter drängte sich als scharfes Summen in den Traum. Sie blinzelte ins Sonnenlicht, das sich durch die Klappläden stahl, sprang auf, rollte den Strohsack an die Wand und tauchte geschwind die Hände in die Schüssel mit warmem Wasser auf der Anrichte. Aus dem gewaltigen Kessel goß die Mutter ein wenig kochendes Wasser nach, das Mädchen sah zu, wie der Dampf, im Licht des ersten Morgens gefangen, zur niedrigen Decke aufstieg. Bedächtig wusch sie sich den Schlaf aus den Augen, während die Mutter sich wieder dem großen schwarzen Herd zuwandte.
»Ich werd hier die Milchwecken fertigmachen, Mädel, und du paßt auf den Haferbrei auf. Ich muß noch nach hinten. Ich hab die Herrschaft nicht gebeten, daß du mir hilfst und nicht aufs Feld mußt, nur damit ich dir beim Schlafen zugucken kann. Also, tu was.«
Röcke raffend eilte die Mutter aus der Tür. Das Mädchen sprang zum Herd, bewegte den Schöpflöffel durch die steife Masse in dem eisernen Topf. Sie griente stolz, als die Mutter zurückkam: kein bißchen angebrannt der Brei. Die Mutter erwiderte das Lächeln, übernahm das Rühren und hieß das Mädchen die Milchwecken aus dem Ofen holen.
»Sie mögen’s, wenn du sie butterst, solange sie heiß sind. Wenn die Butter nicht reicht, mach sie mit Speck glänzend. Die merken den Unterschied nicht, denken nur, du hast mehr Butter genommen.«
»Mama, warum können die Butter von Speck nicht unterscheiden? Baby Minerva kann die Butter schon riechen, bevor sie sich auf dem Butterfaß absetzt. Sie trinkt kein Schweinefett. Warum schmecken die die Butter nicht?«
»Sind nicht lang genug hier. Sind ja kaum Menschen. Vielleicht nicht mal das. Sie verschlingen die Welt, aber sie schmecken sie nicht.«
Das Mädchen butterte die Wecken auf dem Backblech und legte die großen weichen Dinger in den Korb, der morgens zum Servieren benutzt wurde. Wenn sie von besseren Zeiten träumte, dachte sie immer an dieses Brot, dessen Geruch sie liebte. Wann immer das Mädchen Trost brauchte, versprach ihr die Mutter den ersten Wecken aus dem Ofen, bestrichen mit echter Butter. So verkörperte sich für das Mädchen die Heimat jenseits des großen Wassers, von der die Mutter bisweilen sprach, in frisch gebackenem Brot, Brot für jedermann, auch für jene, die draußen auf den Feldern arbeiteten. Was hatte die Mutter ihr von jener Welt berichtet, die vor ihrer Zeit lag? Es wollte ihr einfach nicht einfallen. Die verlorenen Königreiche kamen dem Mädchen wie ein Traum vor, nicht unähnlich jenem, den sie jetzt zu träumen schien.
Sie starrte auf den Wilden aus jenem anderen Land, während er versuchte, sie an einem Bein aus dem Heuversteck zu zerren. Sein aufgesetztes Grinsen schwand, machte Begierde Platz. Er löste die Schnur, die seine Hosen zusammenhielt. In geiler Erwartung ihrer Hingabe lachte er aufs neue, sah sich mit machtgeschwelltem Glied in sie eindringen. Er fiel auf die Knie, vor dem Mädchen , deren Augen schockgeweitet in die Vergangenheit und in die Zukunft zugleich blickten. Zur Eroberung bereit, beugte er sich vor, dachte schon genießerisch an die Prämie und an die Geschichten, die er erzählen würde. Ein Wärmegefühl tief im Bauch. Das Mädchen war jung, wahrscheinlich noch Jungfrau, dachte er, es schien kaum zur Gegenwehr fähig. Er lachte in die aufgerissenen, blicklosen Augen, sah in ihrem Starren einzig Verlangen, keine Resignation, keinen Haß. Seine Geilheit wuchs.
Und diese Geilheit blendete ihn, als er die Arme rechts und links
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