anderbookz Short Story Compilation II
Woodard’s. Die Frauen konnten lesen, schreiben und schießen und benahmen sich wie Ladies. Mintas Busenfreundin Rachel war kurz vor diesem zwanzigsten Geburtstag nach Kalifornien abgereist, wo sie ein neues Leben und einen Ehemann zu finden hoffte. Die Gespräche im Salon kreisten in jüngster Zeit vorwiegend um die Abschaffung der Sklaverei und um das angespannte Klima zwischen Nord und Süd. Sogar bei Mintas Geburtstagsparty blieb die Politik nicht außen vor.
Von einer Frauenrunde angefeuert, bearbeitete ein älterer Kreole, der häufig zu Gast bei Woodard’s war, das Klavier; er tat es ungeschickt, aber voller Enthusiasmus. Das Mädchen servierte Champagner und blieb dann beim Sofa stehen, nahe der Tür, falls Bernice sie in die Küche rufen sollte. Sie wollte möglichst viel von den Gesprächen im Salon mitbekommen.
Aber dann hörte sie Gildas leicht erhobene Stimme vom anderen Ende des Salons. »Ich sage das heute nur einmal. Die Zeiten, da man mit Menschenfleisch gehandelt hat, nähern sich ihrem Ende. Und jeder zivilisierte Mensch wird das begrüßen.« Dabei schaute sie streng auf einen magergesichtigen Mann, der an einem Fenster lehnte. »Bei sich zu Hause können Sie die Lincoln-Wahl gern diskutieren, aber in meinem Haus höre ich mir heute kein Kriegsgerede an.«
Fanny lenkte das Gespräch auf Pferde, ein Thema, das sie bestens beherrschte, aber zwei Männer schnitten ihr das Wort ab. »Pferde! Negerinnen! Ist doch jedesmal dieselbe verdammte Geschichte, sie machen mehr Ärger, als sie wert sind. Ich sag, schicken wir sie doch ...«
Der Mann am Klavier hörte auf zu spielen.
»Wie ich schon sagte, meine Herren, Woodard’s ist auf meinen Namen eingetragen und auf keinen anderen.« Nach kurzer Stille fuhr der Kreole mit dem Klavierspiel fort, und das Mädchen begann leere Gläser abzuräumen. Sie brachte das Tablett in die Küche.
»Was war’n da drinnen los?« wollte Bernice wissen.
»Ach, sie reden über’n Krieg.«
»Hm, die Männer red’n doch nur noch über’n Krieg. Tun sie noch lieber, als auf die Mädels drauf hüpfen.« Sie sog Luft durch die Zahnlücken und goß Wein in zwei Gläser. Eins reichte sie dem Mädchen, und beide tranken.
Mehr als jede andere Frau, die das Mädchen nach der Flucht kennenlernte, ähnelte Bernice der Mutter; sie hatte aber zugleich etwas von einer Schwester.
»Was meinst du ... werden sie frei sein?« Bernice fuhr mit der Zunge über den Rand ihres Glases.
»Wir sind doch schon frei, Bernice. Spielt bei uns hier keine Rolle oder?«
»Mädel, nur’n Stück die Straße runter sind viele von uns kein bißchen frei!«
»Glaubst, sie flüchten sich zu uns?« Das Mädchen kämpfte darum, sich ein Bild zu machen von der Welt da draußen. Ihr wurde flau bei dem Gedanken an die Männer und Frauen auf der Plantage, an ihre Schwestern.
»Wer weiß, was sie tun. Wenn sie keine Arbeit haben, wer weiß das. Wenn keiner sich nich’ um sie kümmert und keiner sie was zahlt, so wie Miss Gilda uns. Wer weiß.« Bernice goß Champagner in funkelnde Kristallgläser.
Angst überschwemmte das Mädchen . »Egal wie der Krieg läuft, Bernice, das Haus muß ihnen Schutz bieten. Wer herkommt, der kann nicht anders, denk ich.« Plötzlich roch sie wieder den dunklen Rübenkeller, in den sie sich damals geflüchtet hatte.
»Hm«, Bernice senkte die Stimme. »Wir halten die Augen offen, vielleicht brauchen ’n paar Leute Unterschlupf für ihre Rüben, wenn du weißt, was ich meine. Du und ich, wir können das tun. Hab mir das schon überlegt. Auf die Freiheit müssen wir gucken, nicht auf den Krieg.«
»Ich weiß, wie das geht.« Das Mädchen leerte ihr Glas.
Als sie in den Salon huschte, fing Minta sie an der Tür ab, nahm zwei Gläser vom Tablett und stellte eins auf den Kaminsims. Sie flüsterte dem Mädchen verschwörerisch ins Ohr: »Daß die Herren sich immer noch mit Miss Gilda rumstreiten. Die ist doch sturer als ’ne Krähe. Kann ich sie nicht vorwerfen.«
»Warum sagst du das? Glaubst du nicht, daß Krieg kommt?«
»Aber klar doch, ganz sicher. Muß man ja nicht noch zusätzlich herbeireden. Es wird schneller Krieg sein, als du denkst. Die versauen einem immer was. Wehe, mir macht einer den Geburtstag kaputt!«
Das Mädchen hatte tausend Fragen und traute sich nicht, auch nur eine einzige laut auszusprechen. Sarah und Fanny gesellten sich zu ihnen, und Fanny sagte: »Nur weil’s dein Geburtstag ist, trinkst du alle Gläser aus?«
»Wenn ich dazu Lust hab,
Weitere Kostenlose Bücher