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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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klar.« Minta leerte das Glas in einem Zug. Sie drehte sich auf dem Absatz um, nahm das nächste Glas vom Sims und schritt davon.
    »Sie ist ’ne ordinäre Schlampe. Ich versteh nicht, warum Miss Gilda sie hierbehält«, sagte Fanny.
    »Ach geh, Minta ist in Ordnung«, Sarah kitzelte Fanny unterm Busen. »Du bist bloß eifersüchtig, weil sie ’ne handgenähte Bluse geschenkt gekriegt hat.« Fanny lachte nicht und nahm sich ein Glas vom Tablett.
    Das Mädchen lächelte scheu. »Miss Fanny hat doch keine Sorgen. Sie bekommt jeden Tag Geschenke.« In Fannys Mundwinkel stahl sich ein winziges Lächeln, obwohl sie sich bemühte, vage und hoheitsvoll dreinzublicken.
    Sarah schlang einen Arm um Fannys Taille und zog sie davon: »Das stimmt, Mädel, und wenn Fanny Schwein hat, kann ich Samstag ihre neue Brosche tragen.« Die beiden Frauen, die dem Mädchen eher wie Mädchen erschienen, spazierten zum Klavier. Gilda und Bird standen am entgegengesetzten Ende des Salons.
    Mit den letzten zwei Gläsern ging das Mädchen zu ihnen und sagte leise: »Miss Gilda?«
    Gilda nahm ein Glas und reichte es Bird. Dann sagte sie: »Das da ist deins, mein Kind.«
    Bird stieß mit dem Mädchen an, nippte an ihrem Glas und wandte sich zu Gilda. »Wir sind soweit, mit Französisch anzufangen.«
    »So rasch!« Gilda wirkte überrascht und erfreut.
    »Wenn schon eine Grammatik, warum nicht gleich zwei?«
    Vor Aufregung brummte dem Mädchen der Kopf. Es machte ihr immer noch Angst, daß sie Buchstaben und Worte kombinieren und ihren englischen Sinn erkennen konnte. Und daß Bird ihr die Sprache ihres Volkes nahegebracht hatte. Bei ihren gemeinsamen Einkäufen in der Rue Bourbon setzten Bird und sie bisweilen die Ladenbesitzer in Verwirrung, indem sie blitzschnell die Sprachen wechselten.
    In den Läden begegnete man ihnen entweder mit verstohlenen Blicken oder einem dreisten, geringschätzigen Lächeln. Niemals war es anders. Daß bei Woodard’s eine Indianerin arbeitete, war allgemein bekannt; die neue »schwarze« Ergänzung weckte eine allgemeine Neugier, der sich niemand entziehen konnte. In selbstbewußter Haltung schlenderten Bird und das Mädchen von Geschäft zu Geschäft, wobei sie immer wieder sahnehellen Mischlingen begegneten, die sich größte Mühe gaben, die beiden zu übersehen. Das Mädchen merkte erst nach einer Weile, daß diese anmutigen, kalten Frauen ebenso wie sie afrikanisches Blut hatten. Darob verwirrt und erschrocken weinte sie, als Bird ihr das soziale System von New Orleans zu erklären versuchte: auf welche Art und Weise die Hellhäutigen sich ihre Privilegien zu sichern suchten und die Dunkelhäutigen aus der Gesellschaft ausschlossen.
    Das Mädchen brachte es wochenlang nicht über sich, Bird in die Stadt zu begleiten. Erst schützte sie Krankheit vor, dann dringende Erledigungen für Bernice. Warum hatte sie nur Angst vor diesen Menschen, die Bird wie Luft behandelten? Wie eine Sklavin. Schließlich kamen die Dinge wieder ins Lot. Bernice verlangte unumwunden eine Erklärung, als das Mädchen eines Nachmittags die Einkäufe mit Hausarbeit zu umgehen versuchte. Da fand das Mädchen plötzlich Worte für die Scham, die sie jenen Frauen gegenüber empfand und die sie sich nicht erklären konnte.
    »Ich sag dir, was ist ... du schämst dich, das stimmt«, sagte Bernice in ihrer vertrauten direkten Art. »Aber du schämst dich für die. Woher ich das weiß? Weil, solange du hier bist, hast du dich noch nie für nix geschämt. Nich’ mal in ersten Nacht, als sie dich wie’n Sack hier reingeschleppt hat. Du warst deiner Mama ihre Tochter, punktum. Du schämst dich, weil die Leute sich für Weiße halten und es nicht sind. Weil sie glauben, daß sie das weiß macht, wenn sie gemein sind zu dunkelhäutigen Menschen. Wirklich, das ist ’n Grund zum Schämen. Aber nicht für dich ... sondern für die, also kümmer dich nur um deine Sachen.«
    Von diesem Nachmittag an ging das Mädchen wieder mit Bird in die Stadt. Zum sichtlichen Unbehagen von Ladenbesitzern und Kunden verfielen sie, wann immer möglich, in ihr eigenes Idiom und unterdrückten im Hinausgehen mühsam ein Kichern. Und jetzt noch Französisch! Sie würde Bemerkungen verstehen, von denen sie sicher war, daß sie ihr gegolten hatten, und sie würde so gut französisch sprechen wie die anderen, denn Bird hatte gesagt, sie sei sprachbegabt. Das machte das Mädchen noch glücklicher als der erste eigenhändig geschriebene Satz. Gilda freute sich, daß sie die

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