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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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sich auf dem Balkon herum und verkauften Erfrischungen aller Art.
    Er biß in das Fleisch. Es war außen schwarz, aber hübsch rosa und saftig im Innern. Während er aß, trat einer der Temporären zu ihm und sah ihm freundlich ins Gesicht. Es war ein untersetzter dunkelhäutiger Mann, der nur einen Streifen gelb-roten Tuchs um die Hüften trug. »Ich verkaufe Fleisch«, sagte er. »Sehr feines gebratenes Lamm, nur fünf Drachmen.«
    Phillips deutete auf das Stück, das er gerade aß. »Ich habe schon etwas«, sagte er.
    »Es ist sehr gutes Fleisch, sehr zart. Es war drei Tage lang eingelegt im Saft von ...«
    »Bitte«, sagte Phillips. »Ich will kein Fleisch kaufen. Würdest du jetzt weitergehen?«
    Die Temporären hatten ihn anfangs verwirrt und verunsichert, und es gab immer noch einiges an ihnen, das ihm unklar war. Sie waren keine Maschinen - sie sahen aus wie Wesen aus Fleisch und Blut - aber sie schienen dennoch keine menschlichen Wesen zu sein, und niemand behandelte sie so, als ob sie es wären. Er nahm an, daß es künstliche Gebilde waren, Produkte einer derartig vollendeten Technologie, daß sie selbst unsichtbar blieb. Einige schienen intelligenter als andere zu sein, aber alle benahmen sich, als verfügten sie nur über so viel Selbstbestimmung wie die Personen in einem Theaterstück, und das war es letztlich, was sie darstellten. Es gab unzählige von ihnen in allen fünf Städten, die alle möglichen Rollen spielten: Schafhirten und Schweinehüter, Straßenkehrer, Kaufleute, Bootsleute, Verkäufer von gebratenem Fleisch und kühlen Getränken, feilschende Händler auf dem Marktplatz, Schulkinder, Wagenlenker, Polizisten, Hofbeamte, Gladiatoren, Mönche, Handwerker, Huren, Beutelschneider und Seeleute - was immer nötig war, um die Illusion eines blühenden, dichtbevölkerten Stadtzentrums aufrecht zu halten. Gioias Volk, die dunkelhäutigen Menschen, arbeitete nie. Es gab nicht genug von ihnen, um den Betrieb einer Stadt zu ermöglichen, und außerdem waren sie schließlich nur Reisende, die mit dem Wind kamen und gingen und von Stadt zu Stadt zogen, wie es ihnen ihre Laune eingab, von Ch’ang-An nach New Chicago, von New Chicago nach Timbuktu, von Timbuktu nach Asgard und von Asgard nach Alexandrien, weiter, immer weiter.
    Der Temporäre ließ ihn nicht in Ruhe. Phillips ging weiter, und er folgte ihm, stellte ihn an der Brüstung des Balkons. Als Gioia einige Zeit später zurückkehrte, ihre Lippen reizend verschmiert vom Saft des Granatapfels, lungerte der Temporäre immer noch um ihn herum und versuchte mit sturer Besessenheit, ein Stück Lammfleisch zu verkaufen. Er war ihm viel zu nahe gerückt, fast Nase an Nase, große, traurige Kuhaugen schauten ihn unverwandt an, während er mit klagendem, stumpfsinnigen Drängen die Qualität seiner Ware anpries. Phillips glaubte sich zu erinnern, daß er schon früher ein- oder zweimal Ärger dieser Art mit Temporären gehabt hatte. Gioia berührte das Wesen leicht am Ellenbogen und sagte in einem kurzen, scharfen Ton, den Phillips vorher noch nie von ihr gehört hatte: »Er ist nicht interessiert. Laß ihn in Ruhe.« Er verschwand sofort. Zu Phillips sagte sie: »Du mußt entschieden sein mit ihnen.«
    »Ich habe es versucht. Er wollte nicht auf mich hören.«
    »Du hast ihm befohlen wegzugehen, und er wollte nicht?«
    »Ich habe ihn gebeten zu gehen. Höflich. Zu höflich vielleicht.«
    »Selbst wenn«, meinte sie. »Er sollte trotzdem einem Menschen gehorchen.«
    »Vielleicht hat er nicht geglaubt, daß ich ein Mensch bin«, überlegte Phillips. »So wie ich aussehe. Meine Größe, die Farbe meiner Augen, möglicherweise hat er gedacht, ich sei selbst irgendeine Art Temporäre.«
    »Nein«, versetzte Gioia unwillig. »Ein Temporäre würde keinen anderen Temporären ansprechen. Aber er würde auch keinem Bürger trotzen. Es gibt da eine sehr klare Grenze. Es gibt niemals irgendwelche Verwechslungen. Ich kann nicht verstehen, warum er dich weiter belästigt hat.« Er war überrascht, wie besorgt sie zu sein schien, ernster, als es der Anlaß verdiente, dachte er. Vielleicht war es ein stupideres Exemplar, auf irgendeine Art falsch eingestellt und nun übertrieben eifrig beim Verkauf seiner Waren - na und? Na und? Gioia schien nach einer Weile zu demselben Ergebnis zu kommen. Achselzuckend sagte sie: »Er ist vermutlich defekt. Wahrscheinlich kommt so etwas häufiger vor, als wir denken, glaubst du nicht?« Ihr Ton klang ein wenig gezwungen, und das

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